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So ganz mag man es nicht glauben, dass auch diesmal wieder mehr als 25.000 Comicfans nach Erlangen kamen. Vor allem am Wochenende war die Heinrich-Lades-Halle weniger bevölkert als an den zwei Tagen zuvor. Doch zusätzlich zur Comic-Messe gab es auch diesmal wieder ein pralles ausgelagertes Programm mit Ausstellungen, die über die ganze Stadt verteilt waren sowie die Comicbörse und Cosplay-Aktivitäten. Außerdem herrschte – nach einem regnerischen Donnerstag - eitel sonnenscheiniges Biergarten-Wetter.
  
Dass
es diesmal für den Comic-Salon alles andere als eine Budget-Aufstockung
gab, war eigentlich nur bei den abgespeckten Werbemaßnahmen innerhalb
der Stadt zu spüren. Die knapp 30 Ausstellungen hingegen deckten
2010 ein besonders breites Spektrum ab und wurden fast alle sehr
schön und anregend präsentiert. Wobei – Oh Wunder! – die ausgestellten
Künstler einige Male auch gleich noch einen Max-und-Moritz-Preis
gewannen.
Das
markanteste Plakat zum Salon zierte ein Motiv von Jens Harder, der
in seinem Comic “ALPHA - directions“
auf 336 Seiten die Geschichte der Evolution “vom Urknall bis zu
den ersten Hominiden“ erzählt und dabei auch Querverweise zu religiösen
oder populärkulturellen Mythen wie “King Kong“ oder “Godzilla“ einbaut.
Die Ausstellung im leider etwas streng riechenden Kellergeschoss
der Salon-Galerie dokumentierte zugleich auch die Arbeitsweise von
Jens Harder, der seine detailreichen Seiten mit jeweils einer einzigen
Schmuckfarbe versah. Der voluminöse Band “ALPHA - directions“
ist der Auftakt einer Trilogie. Harder – der durch seine Beschäftigung
mit der Evolution nur noch bedingt an Lebensplanung glaubt - arbeitet
gerade am zweiten Teil “Beta“.
  
In
der selben Location fand auch eine äußerst witzige Ausstellung des
Wieners Nicolas Mahler ("Flaschko")
statt, der hier unter anderen seine rosarote Superhelden-Figur "Engelmann"
(besondere Eigenschaften: tolerant, ambivalent und kann gut zuhören)
inklusive der zugehörigen Merchandise-Artikel präsentierte
und zugleich auch noch “sämtliche Rechte“ zum Kaufe anbot.
  
Nicht
minder skurril war die Ausstellung “Und das Wort ist Bild geworden
– Über die Comics und das Religiöse“ die in der (evangelischen)
Neustädter Universitätskirche stattfand. Hier wurden keine religiösen
Erbauungscomics ausgestellt, sondern das krasse Gegenteil. Zu sehen
gab es Seiten aus Ralf Königs “Prototyp“,
Robert Crumbs “Genesis“
und sogar jener Moment aus Garth Ennis´ “Preacher“
in dem ein Revolvermann verhindert, dass der Heiland noch mal auf
die Erde kommt. All dies – sowie eine Tabelle, die erläutert welche
Comicfigur zu welcher Religionsgemeinschaft gehört – wurde zwar
nicht im Original, aber dafür untermalt von Orgelmusik und auf Kirchenbänken
zur Schau gestellt.
  
Auch
ansonsten wurde ausstellungstechnisch allerlei geboten. Herausragend
war die umfangreiche “Mecki“-Präsentation, die zahllose
wunderschöne Originale aus der 60jährigen Geschichte des “HÖRZU“-Maskottchens
zur Schau stellte. Die Ausstellung zum 60. Geburtstag der “Peanuts“
hingegen enttäuschte, da sie ganz ohne Originale auskam. Wer quer
durch fast die ganze Stadt laufen mochte, wurde im Stadtmuseum mit
der anregend präsentierten Ausstellung “Grenzgebiete – drüben!
Kindheitserinnerungen zwischen Ost und West“ belohnt.
  
Die
Münchner Comicszene war auch wieder in Erlangen vertreten, u. a.
mit der traditionellen “Comicaze“-Ausstellung
im Café Moravia sowie mit einem Infostand zum Comicfestival München,
das 2011 zum “Erlangen-Termin“ (Fronleichnam) stattfindet.
  
Auch
diesmal gab es wieder (gratis!) ein Panini-Sticker-Album,
das mit über 200 Sammelbildern zu füllen war, die es kreuz und quer
auf dem Salon zu finden galt. An ausgewählten Stellen quer durch
Halle und Stadt lagen (ebenfalls gratis!) die Klebebildchen aus,
so lange der Vorrat reichte und genau hierin bestand auch das Problem.
Wer mochte, konnte sich als Verlag oder Künstler ein Album-Bildchen
als Werbemittel kaufen und musste dann die Verteilung organisieren.
Dies geschah manchmal etwas lustlos und so kam es vor, dass viele
Bilder bereits am Samstag gar nicht mehr erhältlich waren. Dies
lag sicher auch daran, dass manche Händler oder Verlage etwas genervt
waren, von reinen Jägern und Sammlern. Diese rannten oft tunnelblickartig
herum und waren nur an den Klebebildern aber nicht an den zugehörigen
Comics interessiert.
Hinzu
kam ein etwas chaotischer seltsam durchnummerierter Aufbau des Albums,
der z. B. keinen Platz für das Bild 128 vorsah, doch dafür musste
Bild 141 auch noch ein zweites Mal als 157 eingeklebt werden. Auf
alle Fälle brachte das Sticker-Album etliche Salon-Besucher dazu
auch abgelegene Veranstaltungsorte aufzusuchen und mancher von denen
hat sich vielleicht sogar die zu den Stickern gehörenden Ausstellungen
angeguckt…
  
Auch
die Max-und-Moritz-Preisträger galt es ins Album zu
kleben, allerdings erst nachdem diese ihre Brote und Medaillen erhalten
hatten. Als eine Wohltat erwies sich wider Erwarten die Tatsache,
dass Hella von Sinnen als Co-Moderatorin agierte. Im weißen
Joker-Overall wirbelte die Dame über die Bühnen
und trieb den Bürgermeister, die Laudatoren und vor allem ihren
zu Bandwurmsätzen neigenden “Assistenten“ Dennis Scheck dazu
an nicht allzu lange zu schwafeln, denn das Publikum wollte ja schließlich
“Bier und Bratwurst“.
Auch
die Auswahl der Jury ging insgesamt in Ordnung. Etwas seltsam war
der Spezialpreis "Francomics" bei dem deutsche Schüler
mit "Dipoula" von Sti und Pahé den besten
französischen Comic auswählten. Ob es sich bei "Prototyp
und Archetyp" von Ralf König tatsächlich
um “Comic-Strips“ handelt (die Geschichten erschienen zwar zunächst
in der FAZ doch danach in Albumform) mag umstritten sein,
stellt die Qualität der Werke aber nicht in Frage. Das der
Comicszene nicht weiter aufgefallene Buch "Such dir was
aus, aber beeil dich" (S. Fischer Verlag) von Nadia Budde
erhielt den Preis als bester Comic für Kinder. Winshluss´
visuell höchst aufregende aber teilweise auch ganz schön
derbe Version von “Pinocchio“
erhielt bereits 2009 auf dem 36. "Festival
International de la Bande Dessinée“ in Angoulême
den Preis für das beste Album. Diesem Votum schloss sich 1
½ Jahre später die Jury des Comic-Salons an und wählte
den Prachtband zum besten internationalen Comic. “ALPHA
- directions“ von Jens Harder wurde zum besten deutschsprachigen
Comic gekürt. Ein gemeinsamer Spezialpreis der Jury ging an
die Verlage Salleck und Carlsen für ihre Editionen der Werke
Will Eisners. Nicolas Mahler
wurde in einer öffentlichen Abstimmung der Jury zum besten
deutschsprachigen Comic-Künstler gewählt, während
Pierre Christin (“Valerian
und Veronique“) persönlich und mit Standing Ovation
einen Preis für sein Schaffen als Szenarist entgegennahm.
Auch
der etwas seltsam konzipierte und in diversen Foren aufgeregt diskutierte
Publikumspreis – bei denen die Fans nur aus jenen zwanzig Comics
auswählen durften, die zuvor von der Jury vorgeschlagen wurden
- ging nach vorne los. . Uli Lust erhielt verdientermaßen
für “Heute ist der letzte Tag
vom Rest deines Lebens“ sowohl den ICOM-Independent-
als auch den Max-und-Moritz-Preis.
Die
ICOM-Independent-Preisträger sind hier zu erfahren
Die
Max-und-Moritz-Preis-Preisträger sind hier zu erfahren
  
Ein
Teil der Besucher interessierte sich weniger für Ausstellungen oder
Preisverleihungen. Diese Comicfans standen oft stundenlang für eine
Zeichnung ihres Lieblingskünstlers an. Hier gab es im Vorfelde des
Salons etwas böses Blut, da manche Verlage das Würfelglück darüber
entscheiden lassen wollten, ob ein Fan eine Zeichnung bekommen wird
oder nicht. Doch bei Olivier Schwarz (“Spirou
– Operation Fledermaus“) z. B. gab es nicht nur für
jene, die eine 5 oder 6 würfelten einen schöne
Sketch. Den “Pechvögeln“ zeichnete der Künstler einen kleinen weinenden
Spirou mit tröstender Widmung ins Album. Sehr eifrig
und oft auch noch singend war Howard Chaykin am Werke. Er lehnte
es ab Figuren aus Star Wars zu zeichnen, lieferte aber
kantige Batmans oder den Punishers.
Als
am Sonntag die ganze Veranstaltung langsam aber sicher zu Ende ging,
hatten die meisten Besucher noch längst nicht jede Ausstellung
besucht und jedes Bildchen eingeklebt, doch die meisten waren dennoch
höchst zufrieden.
Es
waren wieder vier tolle Tage, die von Bodo Birk und seinem hoch
motivierten Team bestens organisiert wurden. Für die deutsche
Comicszene ist der Comic Salon in Erlangen ein Fest ohnegleichen
und unverzichtbar!
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