Im nunmehr
siebten Band der zwanzigteiligen Serie der "Klassiker
der Comic-Literatur" wird uns BATMAN vorgestellt. Die Auswahl
der elf (bzw. vierzehn, wenn man "Das erste Jahr" als Vierteiler zählt,
was es ja auch ist) Geschichten ist wie immer sehr sorgsam vorgenommen
und umfasst die sechsundsechzig Jahre seit seinem ersten Erscheinen
im Jahre 1939 in DETECTIVE COMICS #27.
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Mit
dem Menschen betreten auch Sagengestalten und Heldenfiguren die
Welt. Sie sind so alt wie die Menschheit selber. Ihre Epen und Geschichten
findet man zu jeder Zeit in jeder Kultur. Heldenerzählungen ziehen
sich durch die gesamte Weltliteratur. Es ist ein Kennzeichen des
Menschseins selbst, dass er, sobald er denken und sich selbst erkennen
kann, die Erfahrungen seiner Kräfte versucht zu steigern. Dieser
Grundzug des Menschseins hat auch noch im 21. Jahrhundert seine
Gültigkeit. Die Geschichten der Helden werden aber heute nicht mehr
mündlich überliefert, sondern an die Stelle des Weitererzählens
sind moderne Medien und an die Stelle der Unterhaltung und der Erbauung
sind kommerzielle Interessen getreten. Wie kaum eine andere Figur
der Phantasie vereinigt und präsentiert Batman diese Gegenpole.
Er ist Held und Sklave gleichermaßen – er steht gleichsam über jedem
Gesetz und unterliegt doch denen des Marktes. Identifikationsfigur
im Kampf nach Unabhängigkeit, Gerechtigkeit und Freiheit (Er tut,
was getan werden muss) und ex aequo Erfüllungsgehilfe für intriganten
Geldpoker.
Die Geschichten hier versammeln
die kreativsten und wichtigsten Künstler, die sich je mit BATMAN
befasst haben: Die beiden Erfinder Bob Kane und Bill Finger, Sheldon
Moldoff, Denny O'Neil, Irv Novick, Dick Giordano und Neal Adams,
Alan Moore und Brian Bolland, Frank Miller und David Mazzucchelli,
Jeph Loeb, Warren Ellis und Jim Lee.
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Es
werden nicht nur in Deutschland schon veröffentlichte Geschichten
gebracht, sondern mit "Robin stirbt bei Morgengrauen" liegt eine
Geschichte in deutscher Erstveröffentlichung vor, entnommen US-BATMAN
#156 vom Juni 1963. Im Gegensatz zu den meisten Batman-Geschichten
dieser Zeit schaffte dieses wunderbare Melodram seinen Weg in die
Batman Annalen Es ist ein exzellent geschriebenes, menschlich interessantes
Drama dieser Periode, und hält zu Recht sich bis heute.
Anders als bei der Reihe von
BILD/Weltbild kommen bei der
Zusammenarbeit von FAZ/PANINI Geschichten zum Abdruck, die wichtig
waren für den jeweiligen Charakter, und nicht nur Seiten, die
man lizenzrechtlich kostengünstig reproduzieren kann. Hier
müssen extra Druckvorlagen besorgt werden und das US-Original
übersetzt werden.
Ein weiterer großer Unterschied
ist die sehr viel aufwendigere redaktionelle Betreuung der Serie.
Das überaus lesenswerte Vorwort von Dietmar Dath – ebenso sein
Beitrag im Feuilleton der FAZ vom 15. Oktober – runden die Präsentation
dieses Charakters wohltuend ab. Klar wird herausgestellt, dass die
Figur des BATMAN ein milliardenschweres Kulturgut ist, über
den wachsame Augen von Editoren schauen und immer den Batman den
Lesern präsentieren, der sich am besten vermarkten und verkaufen
lässt. Hier gelingt Dath eine kritische Metasicht.
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Diese
Einschränkung der künstlerischen Freiheit wurde auch sehr
klar von Jim Lee in der Podiumsdiskussion
auf der Frankfurter Buchmesse am 22.Oktober 2005 dargelegt: Einen
Charakter, der millionenschwer ist, den kann man nur in bestimmten
Grenzen ändern und interpretieren. Aber dennoch ist es ihm
gelungen, Batman in einer Art und Weise darzustellen, wie er schon
lange nicht mehr gezeigt wurde. Dem Ausnahmekünstler und Comicfan
Jim Lee ist es gelungen, durch seine Bilder wieder die Comicfigur
des Batman einem größeren Publikum zugänglich zu
machen und das Interesse an ihr neu zu entfachen. Und so war es
von den Redakteuren der FAZ ein kluger Schachzug, ihn nach Deutschland
zu holen. Die sehr geschickten Fragen von Andreas Platthaus boten
dem Künstler ein wenig Gelegenheit sich und seine Arbeit vorzustellen.
Jim
Lee ist ein Künstler mit Alleinstellungscharakter: Seine Arbeiten
zu X-MEN, FANTASTIC FOUR: HEROES REBORN, WILDC.A.T.S und DIVINE
RIGHT haben längst Kultstaus. Wie kaum ein anderer ist er über jeden
Zweifel erhaben und seine Kunst findet durch alle Verlage, alle
Geschmäcker und Charaktere breite Zustimmung. Er ist der moderne
Michelangelo in einem neuen multimedialen Zeitalter. Er schafft
im Jahre 1991 X-MEN #1, das mit einer Verkaufsauflage von 8 Millionen(!)
Exemplaren das wohl auflagenstärkste Comic-Book aller Zeiten war
und wohl auch bleiben wird. Lees Status als Superstar war endgültig
besiegelt.
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Der
Mensch Jim Lee ist trotz seines Riesenerfolges ein bescheidener
und bodenständiger Mensch geblieben. Seine Arbeit macht ihm Spaß
und das sieht man den Werken auch an. Immer ist er bemüht und es
ist ihm nie zuviel für seine Fans da zu sein. Auf Conventions ist
er gerne bereit kleine Skizzen wegzugeben – auch wenn er weiß, dass
sie bei Auktionshäusern im Netz für viel Geld wieder auftauchen
können. Das tun aber die wenigsten, denn wer einmal in den Besitz
einer Originalzeichnung gekommen ist, wird sich so leicht nicht
wieder von ihr trennen. Immer wieder macht es ihm Freude, anderen
Freude zu machen. Seine sechzig Sekunden Sketche sind so etwas wie
die Essenz des Künstlers – der schnelle Strich weiß zu überzeugen
und ist vergleichbar den Live-Mitschnitten von Musik-Künstlern,
wo man sagt, dass sie hier besonders authentisch wirken.
So auch geschehen auf der weltgrößten Buchmesse. Wohl noch nie waren die Schlangen bei der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" so lang wie dieses Jahr. Das hatte die Zeitung wohl selbst auch nicht erwartet, dass ausgerechnet ein Comic-Künstler alle Rekorde bricht und solch ein mediales Interesse hervorruft. Lee hat wieder in seiner unglaublich intelligenten, freundlichen und charmanten Art zu überzeugen gewusst.
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Lee
ist im vorliegenden Band zwar nur durch zwei kleineren Arbeiten
(und das Titelbild ist ebenfalls von ihm) vertreten, aber dennoch
integraler Bestandteil des Buches. Seine Neuinterpretation der Batman-Origin
ist ebenso wie die erste aus dem Jahre 1939 im Buche zu finden.
Die
Origin Story ist die Entstehungsgeschichte eines Superhelden. Am
Anfang einer jeden Superheldenkarriere steht ein Ereignis - meist
von einschneidendem Charakter - das den Ursprung der "Superkräfte"
erklärt und beschreibt. In einer einzigartigen Begegnung oder Begebenheit
verändert sich alles für den Helden. Nach dieser Wandlung ist nichts
mehr so wie vorher. Dieses nicht umkehrbare Ereignis stellt den
Wendepunkt und Anfangspunkt für den Helden dar. Sie ist die Geburtsgeschichte
mit Initiationsaura und hat "lebensvorprägenden" Rang. In der Regel
ist sie verbunden mit einem umwälzenden Ereignis und einer nachfolgenden
'dedication of life' oder einem heiligen Eid, wie etwa hier bei
Batman. Im Fall Batmans existieren verschiedene Grundversionen seiner
Origin Story. Seine erste und älteste ist erstmalig in einer zweiseitigen
Geschichte in DETECTIVE COMICS #33 (November 1939) beschrieben.
Hier erfährt der Leser erstmals, wie aus Bruce Wayne Batman wurde.
Seine Eltern – sein Vater heißt Thomas Wayne, der Name der Mutter
wird noch nicht erwähnt - wurden auf offener Straße Opfer eines
Raubüberfalls und der kleine Bruce musste mit ansehen, wie seine
Eltern vor seinen Augen ermordet wurden. Weder der Name noch andere
Angaben zu der Person des Mörders werden genannt. Aber diese knappe
Geschichte beinhaltet schon alles Wichtige und man sieht, wie der
kleine Bruce vor seinem Bett kniet – wie zum Nachtgebet – und schwört:
'And I swear by the spirits of my parents to avenge their deaths
by spending the rest of my life warring on all criminals'. (Und
ich schwöre bei den Seelen meiner Eltern, dass ich ihren Tod rächen
werde, indem ich den Rest meines Lebens damit verbringe, jedes Verbrechen
zu bekämpfen.')
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Und
fortan widmet er sein Leben der Wissenschaft und der Ausbildung
seines Körpers bis er zu einem einzigartigen Athleten geworden ist.
Und am Ende seiner Ausbildung – er hat alles was er nun braucht
für seinen Kampf: Wissen, Kraft und Stärke und ein riesiges Vermögen
von seinem Vater – sucht er noch nach einer passenden Verkleidung.
"Verbrecher sind ein abergläubisches und feiges Pack. Meine Verkleidung
muss ihre Herzen mit Angst und Schrecken füllen. Ich muss zu einer
Kreatur der Nacht werden, düster, angsteinflößend, zu einer...einer....",
und in diesem Augenblick – als Antwort auf sein Suchen fliegt eine
riesige Fledermaus durch das geöffnete Fenster. Um den besonderen
Charakter der Origin Story deutlich werden zu lassen, tritt oft
noch ein besonderes - quasi transnatürliches - Ereignis hinzu. Bei
Batman in Gestalt einer Fledermaus, deren Erscheinung ihm die neue
Identität verleiht: ' A bat! That's it! It's an omen... I shall
become a BAT!' "Und so wurde diese furchteinflößende Kreatur der
Nacht geboren... der Rächer aller Verbrechen, Batman!" In entscheidenden
Situationen erinnert sich der Held häufig seiner Origin um, etwa
in der Stunde äußerster Bedrängnis oder unter dem Druck starker
Selbstzweifel und tragischer Verwicklungen, Kraft und Klarheit für
den weiteren Weg zu gewinnen. Bei Batman ist die Bedeutung dieser
Entstehungsgeschichte von enormer Wichtigkeit. Der junge Bruce Wayne
muss mit ansehen, wie die Eltern vor seinen Augen ermordet werden.
Dieses Verbrechen hinterlässt ein Traumata, welches immer wiederkehrend
den Stoff für unzählige Geschichten liefert.
Der Abdruck beider (inhaltlich gleichen) Origins ist überaus geschickt und erklärt, dass sie von seiner ursprünglichen Kraft und Aktualität nichts eingebüsst hat. Als Autor dieser ersten Origin wird hier Bill Finger genannt. Inwieweit dieses richtig recherchiert ist, kann ich nicht beurteilen. Mehrere andere Quellen nennen Gardner Fox. Die Urheberschafft solch alter Geschichten ist nur sehr schwer nachweisbar – Quellen gibt es kaum und oft besteht einfach Unklarheit darüber oder nach all den Jahren beanspruchen mehrere Kreative das Recht darauf. Entweder weil sie sich nicht besser erinnern können, oder weil Gemeinschaftsarbeiten oft für sich allein vereinnahmt werden oder werden wollen.
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Diese
Origin Story wird im Laufe der Zeit immer weiter ausgeführt und
um Elemente erweitert. Neue Einzelheiten, Aspekte und Begebenheiten
werden hinzugefügt, aber immer in der Tradition des Bekannten. Besonders
gelungen und wichtig ist "Das erste Jahr" von Frank
Miller und David Mazzucchelli.
Diese
Kriminalgeschichte beleuchtet in unvergleichbarer Art und Weise
das Zusammenspiel zwischen Batman und einem seiner wichtigsten Verbündeten:
Commissioner James Gordon (Einige Elemente dieser Geschichte flossen
auch in den Film “Batman Begins“
mit ein).
Die
anderen Geschichten sind nicht minder wichtig und gelungen. Die
neukolorierten Werke von Neal Adams wirken auf den ersten Blick
fremd und ungewohnt, aber auf den zweiten geben sie doch sehr viel
Preis von ihrer Schönheit und Eleganz. Adams war einer der
ersten, der solch dynamische Blickwinkelveränderungen einführte.
Dies konnte er deshalb, weil er damals handwerklich und künstlerisch
der einzige war, der dazu in der Lage war. Akrobatische Bewegungen
und menschliche Anatomie realistisch aus jeder nur denkbaren Perspektive
heraus darzustellen, dazu war er einfach in der Lage wie kein anderer.
"The
Killing Joke" von Alan Moore und Brian Bolland ist sicherlich eins
der bedeutendsten Werke mit Batman überhaupt. Erzählt wird, wie
der Joker mit Vorsatz einfach versucht, zu beweisen, dass jeder
verrückt werden kann. Er hat einen teuflischen Plan, den er sich
vorgenommen hat. Und für diesen Plan braucht er Commissioner Gordon.
Wenn
jeder jeden Tag wahnsinnig werden kann, was für einen Sinn hat dann
das Leben!?
Er will beweisen, dass es zwischen ihm selbst und den anderen Menschen, den Durchschnittsmenschen - wie es seiner Meinung nach auch Gordon einer ist - keinen Unterschied gibt: Ein schlechter Tag, nur ein einziger schlechter Tag und der Normalste wird verrückt. Batman muss auch einen solchen Tag gehabt haben, oder warum sonst würde er wie eine fliegende Ratte rumlaufen? Der Joker hatte seinen und fortan ist für ihn die ganze menschliche Existenz nur ein einziger schlechter Witz und absolut sinnlos. Ertragbar nur noch mit einem Lächeln: Die Träne, die Du lachst, brauchst Du nicht weinen. Aber es kommt ganz anders für den Joker, denn ein Held verhält sich immer ganz unvorhergesehen.
Norbert
Elbers
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