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"Wir üben noch!


 
Autor: Frank Borsch, Leo Lukas, Wim Vandemann u. a.
Titel: Perry Rhodan Neo – Die Zukunft beginnt von vorn
Originaltitel: -
Umfang: je 160 Seiten
Format: Taschenheft
Preis: je EUR 3,90
Verlag: Pabel-Moewig
ISBN: -
Website: www.perry-rhodan.net  


Die Amerikaner haben es schon vor einem halben Jahrhundert bei den Comics vorgemacht: Varianten und Parallelwelten zu einer laufenden Serie zu entwerfen, die ihren Reiz aus einer alternativen Konstruktion vertrauter Muster ziehen. "What if“ hieß beispielsweise eine Heftserie bei Marvel Comics, in der schon in den 1960ern das Potential von Geschichten genutzt wurde, die sich in der regulären Serie nicht erzählen ließen, weil sie mit der Konzeption der Hauptfigur und bisher aufgebauten Strukturen der Serie brachen. Auch DC nutzte damals schon dieses Rezept. Die alternativen Welten waren dabei selbstverständlich auch eine Möglichkeit, zusätzliche "Produkte“ zu schaffen und damit weiteren Profit zu erwirtschaften.
 
    
 

Je stärker sich ab den späten 1970ern aber dann die Autorenbewegung in den Comic books durchsetzte, desto mehr wurde jedoch auch deutlich, dass diese Methode mehr als nur eine Erweiterung der Produktpalette ermöglichte: Frank Millers “The Dark Knight Returns“ machte deutlich, wie der populäre Mythos, den die langlebigen Serien allein schon durch eben ihre Generationen von Lesern umspannende Präsenz ergaben, auch intellektuell spannend gebrochen, variiert und in eine selbstreferentielle Reflexion getrieben werden kann. Seither zählen die Brüche und Alternativwelten zum Alltag der amerikanischen Comic-Book-Kosmen.

Davon hätte sich Perry Rhodan Neo mit Gewinn etwas abschauen können. Immerhin ist es sogar der regulären Serie in ihren besten Zeiten bereits gelungen, sich selbst und ihre Entwicklung zu reflektieren – etwa in den 1200er-Bänden mit den katzenähnlichen Aliens der "Kartanin“ und den terranischen Haudegen der "Star Warriors“, die eine Replik auf die recht militarismusfreundliche Zeit des Solaren Imperiums in der Frühzeit der Serie sind. Und es wäre für eine Science fiction-Serie spannend gewesen, den eigenen Zukunftsentwurf, der bei PR ja schon in einem fiktiven Jahr 1971 ansetzt, mit den realen Entwicklungen der seit diesem Jahr vergangenen Jahrzehnte zu kontrastieren – wie es etwa Hanns Kneifel im letzten Hardcover-Band seiner Atlan-Zeitabenteuer getan hat, der die reale Mondlandung und das reale Apollo-Programm mit der Mondlandung der Serie zusammenbringt. Wie spannend wäre es gewesen, die aktuelle geopolitische Situation, die Wirtschaftskrisen, die Wiederkehr der Religion und die postmoderne Pluralisierung mit dem Aufbruch Perry Rhodans zur Einigung der Menschheit erzählerisch zu verbinden! Ganz zu schweigen von den Möglichkeiten, sich mit vielerlei Anspielungen auf die Serie zu beziehen – wie es in gelungener Weise etliche der spin off-Bücher bei Heyne tun.

 
    
 

Kaum etwas von alledem. Die politische Zeitsituation ist eine schlichte Neuauflage des Blockgegensatzes der 1960er Jahre und vermittelt einem das Gefühl, im falschen Text zu sein. Nicht einmal wirklich ein Retro-Setting gelingt der Serie hier, weil sie es trotz der falschen geopolitischen Szenarien auf Aktualität anlegt. Hier ist fast alles verschenkt, was die Neo-Variante an Potential zu bieten gehabt hätte.

Auch die Möglichkeiten selbstreferentieller Metatexte wird nur wenig genutzt. Am besten gelingt es Leo Lukas in Heft 3, einen hübschen ironischen Metatext mit dem Verkauf eines alten Science fiction-Magazins in seine Variante der Finanzierung der Unternehmungen von Crest und Manoli einzubinden (in der Ursprungsserie war es noch der Handel mit arkonidischen Technologien). Von Einfällen dieser Art hätten wir gerne mehr gefunden. Die Aufspaltung des "Zünder“-Mutanten Goratschin kommt einer interessanten Variante immerhin nahe; ebenso könnte der "Overhead“ Clifford Monterny mit seiner neuen backstory noch eine spannende Figur werden. Und ja, auch das Überleben von zwei Arkonidinnen sowie Crests Gefangenschaft bei den Amerikanern verspricht eine interessante Alternative.

Verspricht sie jedoch vorerst nur. Der übergreifende Plot entfaltet sich zäh und allzu langsam – stattdessen walzt die Serie die Subplots um die Herkunft, die backstories also, und die Introspektionen in die psychische Befindlichkeit der Mutanten allzu breit aus. Gemessen an den Handlungssträngen um Crest und vor allem um Rhodan selbst ist dies dramaturgisch äußerst unausgewogen. So, wie auch Heft 4 von Wim Vandemann, einem der eigentlich schriftstellerisch guten Autoren, der sich jedoch schlicht die Mühe spart, seine vier Handlungsstränge dramaturgisch ineinander zu verschalten und sie stattdessen in vier Blöcken einfach hintereinander stellt.

 
    
 

Wenig Freude bereiten zudem Frank Borschs Hefte, darunter auch die aktuelle Nummer 6. Das liegt nicht zuletzt an schlicht grammatischen Fehlern, die zumindest das Lektorat hätte entfernen müssen, wenn es denn schon dem Autor nicht gelingt: "Sid hatte auf die Schüsse bestanden“ statt "auf den Schüssen“ (S. 8), "Er schnappte den Umschlag“ statt "schnappte sich“ (S. 117), "Er hatte nicht mehr als mit einer Statistenrolle gerechnet“ statt "Er hatte mit nicht mehr als mit...“ (S. 124) – um nur einige zu nennen.

Immerhin, das Ende des Heftes lässt erwarten, dass nun allmählich die Handlung um Rhodan in Gang kommen könnte. Höchste Zeit bei einer Plotline, die sich vorerst nur bis zu Heft 8 erstrecken soll.

So bleiben die Eindrücke zwiespältig: Die Serie hat ihre Momente und interessante Varianten bei den Mutanten und der Crest- und Thora-Handlung (die jedoch ebenfalls allmählich wieder aufgenommen werden müsste), verfehlt das Klassenziel aber bei der Zeitgeschichte und verschenkt weitgehend ihre Chancen beim selbstreferentiellen Metatext. Es ist, als wolle das Team den Lesern beständig sagen: "Momentchen bitte, viel Geduld, wir üben noch!“

Prof. Dr. Thomas Hausmanninger

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