Die
Filme:
In England (und leider noch nicht bei uns) ist als “Classic
Double Feature“ eine DVD mit zwei Verfilmungen von Robert Louis
Stevensons Roman “Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ aus den Jahren
1932 und 1941 erschienen. Nachdem die Universal Studios
1930 mit "Dracula" und "Frankenstein"
zeigten, wo es lang geht, versuchte sich Paramount auch
an einer alten englischen Schauergeschichte. Das Resultat übertraf
alle Erwartungen. Todd Brownings "Dracula" ist nur am Anfang,
bei den Szenen in Transsylvanien ein halbwegs "filmischer Film"
und ansonsten nur selten mehr als abgefilmtes Theater. James Whales
"Frankenstein" hingegen verzichtet gänzlich auf Filmmusik
und wirkt sehr roh und karg, beinahe noch wie ein deutscher Stummfilm
aus den frühen zwanziger Jahren (erst "Bride of Frankenstein"
konnte wirklich überzeugen). Obwohl der Tonfilm 1932 noch in den
Kinderschuhen steckte, merkt man bei "Dr. Jekyll & Mr. Hyde",
der - ganz im Gegensatz zur Verfilmung
von 1920 mit John Barrymore - auch heute noch beeindrucken
kann, sofort dass hier Könner am Werk waren.
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Regisseur
Rouben Mamoulian ("Im
Zeichen des Zorro") beginnt den Film mit einer langen
Einstellung, die aus der Sicht Jekylls in subjektiver Kamera zeigt,
wie dieser sein Orgelspiel beendet, kurz in den Spiegel guckt, das
Haus verlässt, eine Kutsche besteigt und eine provokante Vorlesung
hält. Anschließend lernen wir Jekyll als wohltätigen, lebensfrohen
Menschen kennen, der es kaum erwarten kann seine geliebte Muriel
zu heiraten und (hier ist der Film ungewöhnlich eindeutig) die Ehe
zu vollziehen. Erst nachdem sein zukünftiger Schwiegervater, ein
verknöcherter General, die ganze Sache unnötig verzögert, wendet
er sich frustriert seinen Experimenten zu und bezieht als Hyde gemeinsam
mit der Prostituierten Ivy (bei der bereits Dr. Jekyll einmal fast
sexuell aktiv geworden wäre, wenn der langweilige Dr. Lanyon nicht
dazwischengekommen wäre) eine heruntergekommene Wohnung.
Technisch
ist Mamoulians Film ein einziger Genuss. Die Verwandlungsszenen
wurden entweder mit sehr präzise ausgeführten Überblendungen
oder mit farbig aufgetragenen Schminkestufen, die erst durch diverse
Farbfilter in schwarzweiß zu erkennen sind, realisiert und
konnten erst sehr viel später durch mechanische Effekte in
Filmen wie "American Werewolf"
und "Das Tier" übertroffen
werden. Frederic March, bekam 1932 einen Oscar als bester Hauptdarsteller
(teilte sich diesen jedoch mit Wallace Beery, der für "The
Champ" ausgezeichnet wurde) und wurde bereits 1933 im
Disney-Cartoon "Mickey's Gala Premiere" gemeinsam
mit Bela Lugosi und Boris Karloff karikiert. Obwohl der Film alles
andere als werkgetreu ist, blieb die 1932er-Version bis heute unerreicht.
1941
- also bereits zehn Jahre nach Mamouilians Meisterwerk - wagte sich
Metro Goldwyn Meyer an eine neue Version von Robert Louis
Stevensons Erzählung. Um ja alles richtig zu machen, heuerte man
den “Vom Winde verweht“-Regisseur
Victor Fleming und die Darsteller Spencer Tracy, Ingrid Bergman
und Lana Turner an. Vor allem aber erwarb man von der Paramount
die Rechte an Mamouilians “Dr. Jekyll und Mr. Hyde“-Filmversion
und konnte daher diesen Film bis in die späten Sechziger Jahre aus
dem Verkehr ziehen. Der schwerfällige Metro-Film hatte es auch bitter
nötig, nicht ständig mit der früheren und sehr viel besseren Version
des Stoffes verglichen zu werden.
Spencer
Tracy war, bei allem Respekt vor seinen sonstigen Leistungen, bestimmt
kein sehr wandlungsfähiger Darsteller. Er wirkt schon als Jekyll
viel zu sehr wie Hyde und als Hyde viel zu wenig wie Hyde. Ganz
nett war die Idee ein wenig die Erwartungen des Publikums zu unterlaufen
und Ingrid Bergman auf eigenen Wunsch die Rolle des "böses"
Mädchens zu geben, während die ansonsten eher verruchte
Lana Turner (Lady de Winter in Gene Kellys "Die drei Musketiere"-Version)
als "gute" und etwas langweilige Verlobte zu besetzt wurde.
Das alles nützte jedoch nicht viel, denn Flemings, in klobigen
Kulissen inszenierter, Film, wirkte um einiges verklemmter als die
frühere Version. Da Hollywood in den Vierziger Jahren stärker
als zuvor Rücksicht auf spießige Moralvorstellungen nahm,
mussten eindeutige sexuelle Motivationen vermieden werden.
Auch
tricktechnisch war ein deutlicher Rückschritt zu verzeichnen. Jekylls
erste und zweite Verwandlung illustrierten wirre Montagen, bestehend
aus Schlamm, Seerosen, Explosionen, Löwen (ein Rezensent will sogar
Giraffenhälse entdeckt haben) sowie Bergmann und Turner, die einen
Streitwagen mit einem peitschenden Tracy ziehen. Nach diesen bedeutungsvollen
Kollagen blickt Tracy in den Spiegel und sieht nur geringfügig schlimmer
als sonst aus. Natürlich gibt es auch noch einige Verwandlungsszene.
Sie wurden durch Überblendungen gelöst, bei denen wohl die Augen
das Hauptproblem darstellten. Die Zurückverwandlung von Hyde in
Jekyll kurz vor Schluss zeigt nicht viel mehr als Tracys immer kürzer
werdendes Haar. Da Flemings Film sich ansonsten ziemlich genau an
Mamouilians Vorgaben hält, ist die 1941er Version wohl trotzdem
bis heute der letzte wirklich ernsthafte und ambitionierte Versuch
Stevensons Erzählung auf die Leinwand zu bringen. Alle danach entstandenen
Versionen sind entweder meilenweit von Stevensons Vorlage entfernt
oder Komödien oder Filme, die einen ziemlichen Beigeschmack von
Trash haben.
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