Der 50-jährige Geburtstag von MAD
liegt zwar schon etwas zurück, ist aber trotzdem Anlass sich einmal
mit der bewegten Geschichte des vernünftigsten Magazins der Welt zu
beschäftigen. MAD hat unsere Kulturlandschaft nicht nur verarscht
und kommentiert, sondern sie sogar stärker geprägt und auch verändert
als jeder andere Comic.
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Die Anfänge: Geschichten aus der Bibel und aus
der Gruft
Es
wird immer wieder gerne behauptet MAD wäre vom EC-Verlag herausgebracht worden, weil es durch drastische Zensurmaßnahmen
in den USA nicht mehr möglich war Horrorheftchen wie “Tales from the
Crypt“ zu veröffentlichen. Doch genaugenommen ist MAD eher eine Fortsetzung
des Horrors der EC-Comics mit komischen Mitteln. Um dies zu belegen
muss etwas weiter ausgeholt werden. Max
Gaines, der Vater des MAD-Gründers, war, übrigens ähnlich wie der Duck-Master
Carl Barks, ein Mensch der es in allen möglichen Bereichen versuchte,
dort immer wieder scheiterte und schließlich in der Comic-Branche
landete. Wobei in den depressiven dreißiger Jahren von einer “Comic-Branche“
noch gar nicht die Rede sein konnte. Comics gab es eigentlich nur
als tägliche Strips in den Tageszeitungen und als farbige Beilage
am Wochenende. Max Gaines fragte sich nun, ob es nicht auch möglich
wäre diese Beilagen auch ohne die störende Zeitung direkt am Kiosk
zu verkaufen.
Er kam mit
einer Firma namens Eastern Color Printing ins Geschäft. Dort wurden
Unmengen von Comicheften als Gratiswerbegeschenke
für Firmen produziert. Doch seltsamerweise hatte bisher niemand daran
gedacht diese Hefte zu verkaufen. Gaines überzeugte die Firma indem
er auf einige dieser Gratis-Hefte einen Preisaufdruck von 10 Cents stempelte. Da sich die Hefte prima verkauften, erhielt Gaines
den Auftrag für Eastern ein Serie neuer Comichefte zusammenzustellen. Hierfür erfand Gaines auch noch ganz
nebenbei das noch heute gültige Format
für US-Comichefte. Im Mai 1934 erschien die erste Ausgabe von
“Famous Funnies“ und diese
64-seitigen Farbhefte hatten sofort Erfolg. Gaines wurde für seine
Bemühungen nicht gerade belohnt, denn eines Tages fand er ohne Angaben
von Gründen seine Bürotür plötzlich verschlossen vor. Doch Gaines
blieb in der Comicbranche und fand sofort wieder Arbeit. Er verlegte
ein Heft namens “Popular Comics“, das ebenfalls Zeitungsstrips veröffentlichte und
damit noch mehr Erfolg als “Famous Funnies“ hatte.
Max Gaines tätigte auch Geschäfte mit DC,
angeblich ist die Idee ein “Superman“-Comicheft
herauszubringen auch mit auf seinem Mist gewachsen. Gemeinsam
mit DC entstanden arbeitete er an den “All
American“ (AA) –Comics mit Helden wie Flash,
Hawkman und später auch Wonder
Woman. 1944 gründete Gaines schließlich als Tochter von DC und
AA seinen eigenen Verlag namens E.C.
Dieses Kürzel stand für “Educational
Comics“ (also “Erzieherische Comics“), denn auch in den vierziger
Jahren waren die Comics vielen Erziehern ein Dorn im Auge. Daher
verlegte Gaines Comics, die Wissen vermitteln sollten. Produkte
wie diese trafen zwar nicht unbedingt den Geschmack der Zielgruppe,
denn die Kinder benötigten mindestens 10 Ausgaben von “Picture
Stories from the Bible“ um diese bei ihren Freunden gegen ein
einziges Batman-Heft einzutauschen. Für das Image des Medium Comics waren Produkte
wie “Picture Stories from Science“ jedoch ganz gewiss nicht schlecht und
dem E. C. -Verlag ging es recht gut. Doch eine Katastrophe sollte
alles ändern: 1947 kam Max Gaines bei einem Bootsunglück ums Leben
und seine Witwe bat ihren damals 25-jährigen Sohn das Geschäft zu
übernehmen.
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Im
Gegensatz zu seinem Vater hatte es William M. Gaines nicht so mit
Geschichten aus der Bibel. Er war eher ein Fan von spannenden und
pointierten Radiohörspielen. Daher setzte er auf Kriminal-Comics.
Gemeinsam mit dem gleichaltrigen Zeichner Al
Feldstein, der eigentlich Teenie-Comics im Stile von Archie
für EC zeichnen sollte, schuf er mit der Serie “Crime
SuspenStories“ ein erstes Highlight des Verlages. Zeichner wie
Jack Davies, Graham Ingels, Bernard Krigstein
und Wallace Wood setzten
die Geschichten von Gaines und Feldman in beeindruckendes Artwork
um. Es ging dabei meist um Kriminalfälle, die sich nicht in einer
ominösen Unterwelt sondern in der Familie oder am Arbeitsplatz abspielten,
also in einer dem Leser vertrauten Umgebung. Ganz wichtig war hierbei
auch die überraschende Wendung
am Ende der Geschichte, die in der Tradition großer amerikanischer
Short Story-Autoren wie O. Henry stand und zu ECs Markenzeichen
wurde.
1950 versuchten sich Gaines und Feldstein an zwei Horror-Stories
namens “Crypt of Terror“
und “Vault of Horror“,
die beide von einem gewissen modrigen Cryptkeeper anmoderiert wurden.
Diese Geschichten wurden zunächst in zwei Ausgaben der EC-Krimi-Comicreihen
“Crime Patrol“ und “War Against Crime“ versteckt. Doch Gaines und
Feldstein waren so sehr vom Erfolg ihrer Stories überzeugt, dass
sie gleich mit den Heftreihen “The
Crypt of Terror“ (später umbenannt in “Tales
from the Crypt“) und “The
Vault of Horror“ starteten, ohne abzuwarten wie solche Sammlungen
von Horror-Geschichten vom Publikum aufgenommen wurden. Der Erfolg
sollte ihnen recht geben und Bill Gaines änderte den Verlagsnamen
in “Entertaining Comics“.
Schon bald mussten 10 andere Comichefte geopfert werden um diese
gegen ein EC-Horrorcomic einzutauschen und ein Schriftsteller wie
Stephen King gibt unumwunden
zu, dass diese Comicreihen der Hauptinspirationsquelle seiner ersten
Schreibversuche waren. (Später sollte er mit dem Film “Creepshow“
den E. C.-Comics Respekt erweisen). Gaines gelang es weitere talentierte
Zeichner um sich zu versammeln und ermutigte diese dazu in ihrem
eigenen Stil zu zeichnen. So entstanden neben den Horror-Heften
auch Science Fiction-Comics, für die sogar eine anerkannte Genregröße
wie Ray Bradbury schrieb
(nachdem er sich zuvor darüber beschwert hatte, das Gaines einige
seiner Stories plagiert hatte), und sehr realistische Kriegscomics.
Diese Serien namens “Two-Fisted
Tales“ und “Frontline
Combat“ boten gut recherchierte Stories und glorifizierten den
Krieg kein bisschen. Diese Hefte betreute ein gewisser Harvey
Kurtzman.
Als sich Kurtzman eines Tages bei Gaines darüber beschwerte, das
Al Feldstein mehr Gehalt bezieht als er, wies ihn Gaines darauf
hin, dass Feldstein ja schließlich auch fünf Heftserien betreute,
während Feldstein “nur“ für die beiden Serien mit Kriegscomics verantwortlich
war. Zuvor war es Kurtzman bereits gelungen humoristische Comics
u. a. inmitten von Marvels
Superhelden-Heften unterzubringen und ähnliches war ihm auch
schon bei EC gelungen. Gaines bot daher Kurtzman eine Gehaltserhöhung
von 50 % an, wenn dieser ihm in kürzester Zeit ein
wirklich komisches Comicheft zusammenstellen würde. Kurtzman
schlug den Titel “Tales calculated to drive you Mad“ vor.
Mad unter Kurtzman
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Ab
1952 erschien MAD in
Form eines Comicheftes. Die ersten drei Hefte enthielten jeweils
4 Stories, die alle von Harvey
Kurtzman getextet und von Jack
Davis, Wally Wood, Bill Elder
und John Severin gezeichnet
wurden. Den Auftakt machte die Geschichte “Hoohah!“
in der sich Kurtzman ausgiebig über den E. C.s Flaggschiff “The
Crypt of Terror“ lustig machen konnte, denn er hat sich immer nur
sehr widerwillig für E.C.s
Horrorheftchen gearbeitet. Auch viele der meisten Geschichten in
den ersten drei MAD-Heften parodierten andere E.C.-Comicreihen und
der Erfolg hielt sich zunächst noch in Grenzen. Dies sollte sich
ab der vierten Ausgabe ändern. Hierfür zeichnete Wally
Wood in beeindruckenden Wimmelbildern unter dem Titel “Superduperman!“
die erste direkte Parodie (wenn die Tarzan-Verarsche “Melvin!“ aus
Heft 2 ignoriert wird) auf eine populäre Comicreihe, die nicht aus
dem Hause E.C. stammt. Gaines beschäftigte für seine Rechtsangelegenheiten
den selben Anwalt wie DC. Daher riet dieser Gaines in MAD auf eindeutige
Parodien populärer Figuren zu verzichten, um sich dadurch lästige
Schadensersatzklagen vom Hals zu halten. Kurtzman blieb jedoch stur,
denn ohne die Möglichkeit sich auch über andere Comicreihen lustig
machen zu dürfen sah er keine Zukunft für MAD. Er fand einen Anwalt,
der Gaines empfahl Kurtzman ganz einfach mit dem Parodieren weiterzumachen.
Zum Glück für die gesamte westliche Kulturlandschaft hat sich Gaines
im Sinne von Kurtzman entschieden und MAD verulkte in den nächsten
Heften Comic-Reihen wie “Prinz
Eisenherz“, “Archie“
und auch die Disney-Comics
blieben nicht verschont. Der “Maus“-Zeichner Art
Spiegelman meint, das MAD die sechziger Jahre genauso stark
geprägt hat “wie Gras und
LSD“. Bewusstseinserweiternd war MAD schon, denn der respektlose
Umgang mit Autoritäten, Ikonen und Klischees machte Schule und es
selbsternannten Meinungsmachern und Moralaposteln nicht mehr so
leicht Punkte bei der Bevölkerung zu machen. (Wenn man allerdings
einmal den leidigen Rummel hierzulande um die Rechtmäßigkeit von
Asterix-Parodien betrachtet, sieht es so aus, als wenn wir im Humor-Verständnis
immer noch weit hinter den Amis der fünfziger Jahre herhinken).
Doch ganz so weit waren auch die USA im April 1954 noch nicht. Zeitgleich
mit der zehnten Ausgabe von MAD erschien Fredric Werthams Buch
“Seduction of the Innocent“,
das anhand von zahlreichen Illustrationen aus E.C.-Heften nachzuweisen
versucht, dass Comics für die Verführung
und Verrohung junger Menschen verantwortlich sind. Der “Erfolg“
des Buches war so gross, dass prompt Comic-Verbrennungen
organisiert wurden. Etwas Öl in diese Feuer goss Gaines selber noch
als er ebenso treffend wie verletzend ausführte: “Dr. Wertham das
harmlose Vergnügen an einer Horror Story begreiflich zu machen,
ist ebenso schwierig wie einer frigiden alten Jungfrau die Freuden
der Liebe zu erklären.“ Auch Gaines Erklärungen, dass die Cover
der EC-Comics durchaus noch schrecklicher und blutiger hätten ausfallen können, überzeugte
nicht so recht. Nach und nach musste Gaines alle seine erfolgreichen
Horror-Comicreihen einstellen, da diese ohne den Siegel des neu
formulierten Comic Codes
von den meisten Händlern nicht mehr verkauft wurden.
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MAD
hingegen war bisher der Öffentlichkeit nur einmal unangenehm aufgefallen
(bzw. in den Klassenzimmern gar nicht aufgefallen) als der Umschlag
der Nummer 20 genau wie ein
Schulheft gestaltet war. Um Kurtzman, dem ein lukrativer Job
bei einem anderen Verlag angeboten wurde, zu halten schlug Gaines
vor MAD künftig im Magazinformat herauszubringen. Kurtzman war begeistert
und begann sofort den Markt abzuchecken. Er fand heraus, dass bei
einem Magazin farbige Seiten nicht unbedingt erforderlich waren
und trotzdem der Preis von 10 Cents auf 25
Cents angehoben werden konnte. Außerdem musste ein Magazin sich
überhaupt nicht mit dem Comic Code herumärgern. Ein weiterer Vorteil
war, dass nachdem schon so ziemlich jede populäre Comicreihe ihr
Fett abbekommen hatte, jetzt noch zusätzlich alle möglichen Unarten
des American Way of Life verulkt werden konnten.. Dafür war verzichtete
MAD künftig auf Handlettering und setzte stattdessen Maschinensatz
ein um den Magazin-Charakter und die Bedeutung des gedruckten Wortes
zu betonen. Das MAD-Magazin entfernte sich also etwas vom Medium
Comic und sprach dadurch ein größeres
Publikum an.
So erschien im Sommer 1955 als Ausgabe 24 “The new
MAD“ und die Legende will wissen, dass bereits die Arbeiter
in der Druckerei Tränen lachten. Trotz des großen Erfolges brauchte
der qualitätsbewusste Kurtzman deutlich länger zum Zusammenstellen
des Magazins und MAD erschien meist nicht wie geplant alle zwei
Monate sondern nur vierteljährlich.
Dies machte die weitere Zusammenarbeit mit Gaines, dessen Verlag
immer mehr den Bach runterging, nicht gerade leichter. Mit einem
Angebot vom Hugh Hefner, dem Herausgeber des Playboys,
in der Hinterhand forderte Kurtzman auch noch volle Kontrolle über
das von ihm gegründete MAD-Magazin. Für seine Weiterarbeit forderte
er, dass MAD ihm künftig zu 51 % gehören solle. Gaines war entsetzt.
Er entschied sich Kurtzman gehen zu lassen und seinem loyalen Freund
Al Feldstein zum MAD-Herausgeber
zu machen.
Kurtzman brachte kurz darauf für Hugh Hefner das Satire-Magazin
“Trump“ heraus. Trotz
guter Resonanz und Verkaufszahlen stellte Hefner das Blatt bereits
nach zwei Ausgaben wegen der hohen Produktionskosten wieder ein.
Dies hinderte Kurtzman nicht daran gemeinsam mit Will
Elder die prachtvoll gestaltete Serie “Little
Annie Fanny“ für den Playboy
zu gestalten. Von 1960 bis 1965 produzierte Kurtzman gemeinsam mit
dem späteren Monty Python-Mitglied
Terry Gilliam das Magazin “Help!“.
Hier wurden die ersten Werke der späteren Underground-Stars Robert Crump (“Fritz the Cat“) und Gilbert Sheldon (“Freak Brothers“) veröffentlicht. 1990 erschien bei
Marvel “Harvey Kurtzman´s
Strange Adventures“ (deutsche Ausgabe als “Absurde Abenteuer“
bei Bastei). Hier gestalteten
Comic-Stars wie Moebius,
Dave Gibbons oder Sergio Aragones
Geschichten von Kurtzman. Bis zu seinem Tode im Jahre 1993 lehrte
Kurtzman als Dozent für graphische Kunst an der New York School
of Visual Arts.
Die übrige Gang von Idioten
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Viele
der Künstler des alten Teams hatten das Magazin gemeinsam mit Kurtzman
verlassen und Hugh Hefner promotete sein neues Satire-Blatt im “Time
Magazin“ sogar damit, dass er behauptete, für ihn arbeitete jetzt
die gesamte Belegschaft von Mad, einem kurzlebigen “satirical Pulp“.
Al Feldstein, dem der Humor von Harvey Kurtzman teilweise ein wenig
zu elitär und abgehoben war, musste nun komplett neu beginnen. Den
Übergang von Kurtzman zu Feldstein markierte auch ein gewisser Alfred E. Neuman. Kurtzman hatte eine Postkarte mit dem zahnlückigen
Segelohrträger entdeckt, deren Bildunterschrift “Me
Worry“ lautete. Spätere Streitigkeiten um die Rechte an der
Figur ergaben, dass dieser sorglose Bengel bereits seit dem Ende
des 19. Jahrhunderts überall auftauchte, ohne dass sein Ursprung
genau dingfest zu machen war. Kurtzman platzierte jedenfalls eine
Reproduktion der “What – Me Worry“-Postkarte
auf der Umschlagrückseite von Heft 27. Die Leserschaft und
auch Al Feldstein waren von dem putzigen Kerlchen recht angetan.
Daher wurde Norman Mingo
von Feldstein damit beauftragt aus dem Postkartenmotiv eine Identifikationsfigur
für das Magazin zu machen. Seitdem Feldstein das MAD-Magazin übernommen
hatte war Alfred E. Neuman dann auf den meisten Titelbildern zu
sehen.
Bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1984 gelang es Feldstein zahllose
neue Talente anzuwerben, die alle eine eigene umfangreiche Würdigung
verdient hätten: Etwa Don
Martin, der ab Heft 29 Wesen mit ganz krummen Füssen durch
das Magazin schlurfen ließ, Mort
Drucker, der ab Heft 32 seine gefürchtete Film- und TV-Parodien
platzierte, David Berg (ab Heft 34) mit seinen immer treffenden Alltagsbetrachtungen,
Sergio Aragones (ab Heft
76) der schnellste Cartoonist der Welt und Al Jaffee (ab Heft 91) das Bastelgenie
mit den dummen Fragen, dass mit seinen Fold-Ins dem “Playboy“ und
dessen Fold-Outs erhebliche Konkurrenz machte. Ebenfalls nicht unerwähnt
bleiben soll der Kubaner Antonio
Prohias der schon zu Zeiten des kalten Krieges seinen weißen
und schwarzen Spion aufeinanderhetzte. Heute wird diese Serie von
Peter Kuper gezeichnet.
1962 verkaufte Bill Gaines MAD an Premier Industries, die es später
an DC weiterverkaufte.
Doch Gaines behielt volle Kontrolle über das Heft. Das Magazin florierte
und Gaines konnte sich weiterhin locker erlauben auf
Werbung zu verzichten und
sein komplettes Team immer wieder zu ausgiebigen Reisen in alle
Teile der Welt einzuladen. Nach Gaines Tod im Jahre 1992 übernahm
im Aufrage von DC Joe Orlando
den Job des “Consultant Editor“. Nach und nach gewann er das Vertrauen
des MAD-Teams und die Gang von Idioten fällt immer noch monatlich,
aktuell und treffend über den American Way of Life her.
Auf eine
etwas bedenkliche Tendenz muss jedoch noch hingewiesen werden: Zwar
kommt MAD immer noch ohne Werbung aus, doch auch Satire kann eine
Art von Werbung sein, denn schlimmer als jede schlechte Filmkritik
ist es, wenn ein neuer Film nicht in MAD parodiert wird. Seitdem
das eigentlich unabhängige
Satiremagazin zum Warner-Medienkonzern
gehört, der den DC-Verlag kaufte, gibt es einige Liebesdienereien
in Richtung des Mutterkonzerns: So erschien die amerikanische MAD-Ausgabe
mit der Parodie zu "Batman und Robin" gleich mit vier
(!) Variantcovern zum Film, was sicher mehr mit Promotion als mit
Satire zu tun hat und kürzlich kam auch noch ein Sammelband heraus,
der nur Verarschungen von Filmen aus dem Hause Warner
enthielt. Es bleibt abzuwarten, ob die MAD-Macher in Zukunft
die Hand die sie füttert überhaupt noch beißen dürfen?
Mad in Deutschland Teil 1
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Ab
1967 brachte der Williams
Verlag MAD auch in Deutschland heraus. Die Erscheinungsform war
sehr stark an die amerikanische Ausgabe angelehnt. Chefredakteur
war Herbert Feuerstein, der sich zunehmend darum bemühte auch eigene Beiträge
zu produzieren. In diesem Zusammenhang möchte ich etwas persönlicher
werden: In meiner Schulzeit war MAD eine Weile (so zwischen dem
zwölften und fünfzehnten Lebensjahr) ganz schön wichtig. Wer das
neuste Heft hatte war einen
ganzen Tag lang der Größte.
Alle hechelten die Artikel durch, erfreuten sich an Namen wie Kaputnik, Feinbein oder
Jeremias Kartoffelkäfer
und amüsierten sich über Parodien von Filmen die damals noch kein
Mensch kannte. (Ein Freund namens Alfred (E.) Neuwald litt allerdings
etwas unter der allgemeinen MAD-Begeisterung). Mitte der siebziger
Jahre hörte ich zufällig, dass der Freund eines Freundes schon mehrmals
für MAD getextet hatte und von Herbert
Feuerstein zum Dank auch noch zum Essen ausgeführt wurde. Als
Film- und MAD-Fan stellte ich prompt einige Einfälle zum Thema “Schade,
dass es sowas nur im Kino gibt“ zusammen. Ich erhielt eine freundliche
Antwort von Herbert Feuerstein, der darum bat die Texte für einen
dreiseitigen Beitrag, der dann von I. Astalos illustriert werden sollte, noch etwas zu ergänzen. Nachdem
ich dann u. a. noch textete: “In deutschen Sexfilmen sind Schulmädchen
immer wohlgeformt wild und willig, aber in Wirklichkeit sind Schulmädchen
meist wohlgenährt, wabblig, und würg.“, folgte recht schnell ein
Brief mit einem Scheck über
150,- DM (damals ein Menge Geld, jaja) und damit war auch der
“Leitspruch des Monats“ für “Mad´s monatlichen Almanach“ (“Wo eine
Villa ist auch ein Weg“) abgegolten. Mein Betrag der dann in Ausgabe
125 erschien, spornte mich gewaltig an. Ich fühlte mich dadurch
auch noch als Zeichner berufen und lieferte Arbeitsproben für eine
Filmparodie auf den Bondfilm “Moonraker“ mit der ich Mort Drucker
Konkurrenz machen wollte. Außerdem hatte ich noch tolle Ideen für
einen Beitrag über “Kaffeekannen der Zukunft.“ Diesmal fiel die
Reaktion Feuersteins schon etwas verhaltener aus und ich wandte
mich anderen Dingen zu.
Doch auch ohne meine Mitarbeit hielt das deutsche MAD noch eine
ganze Weile durch, wobei Herbert
Feuerstein bereits 1991 von Bord ging und im Fernsehen eine
lukrative Anstellung als Harald Schmidts nerviger Punchingball fand.
Die Nachfolge Feuersteins übernahm der Herausgeber Klaus
Recht. Zeitweilig verkaufte sich das deutsche MAD mit bis zu 300.000 Exemplaren sogar besser als das Mutterblatt zum selben
Zeitpunkt in den USA. Doch die Beiträge waren (ganz im Gegensatz
zum amerikanischen MAD, das auch heute noch immer erfrischend nah
an den aktuellen Trends ist) nicht mehr allzu zeitgemäß. Das ganze
Heft wirkte zuletzt nur noch lustlos zusammengestellt und schien
sich auf alten Erfolgen auszuruhen. Als sich nur noch knapp 30.000
Hefte absetzten ließen, stellte das deutsche MAD 1995 mit Ausgabe
300 (vorerst) sein Erscheinen ein. Diese letzte MAD-Ausgabe
ist wie alle eifrigen Price Guide-Leser wissen ein gesuchtes Sammlerstück
und wird schon mit 40,- DM gehandelt.
Mad in Deutschland 2
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Drei
Jahre nachdem MAD in Deutschland eingestellt wurde, fragte der Medienriesen
Warner, dem ja auch DC gehört, ob der Dino Verlag nicht Interesse hätte einen Neustart mit MAD zu wagen.
Die Leutchen um Max Müller
waren von dieser Anfrage zunächst nicht so begeistert und glaubten
auch nicht daran, dass ein MAD-Magazin genauso weitergeführt wie
zuvor wieder Erfolg haben könne. Doch die Dinos erhielten die Erlaubnis
amerikanischen Beiträge einfärben zu dürfen, auf dem Comicsalon
in Erlangen wurde ein gewisser armer Naatz per Unterschrift auf einer Serviette als Übersetzer verpflichtet
und als Veteran des deutschen MADs konnte auch noch I.
Astalos verpflichtet werden. Der Sendebeginn der US-Serie “MAD
TV“ auf RTL wurde dann als besonders
günstig für einen Neustart des Magazins angesehen und ab
Oktober 1998 erscheint
MAD wieder monatlich. Etwas peinlich war Anfangs schon die “MAD
TV“-Beilage in der Mitte des Heftes, die sich ziemlich plump bei
RTL anbiederte, doch nachdem die schlampig produzierten Sketche
von “MAD TV“ aus dem RTL-Spätprogramm verschwanden, hatte sich dies
Problem von selbst erledigt.
Dino setzte künftig auf Hefte mit
Themenschwerpunkt. Die erste wirklich gut gelungene Ausgabe
war dann die Nummer 9. Hier ging es um das Thema Comics
und da sind die Dinos natürlich absolut kompetent. So gibt es eine
ganz witzige Parodie auf den Film "Arschterix
& Popelix". Diese stammte pikanterweise von Jens Jeddeloh, der seinerzeit das von Uderzo hart bekämpfte Parodie-Plagiat
"Alcoholix"
im auch dadurch pleite gegangenen Saga Verlag veröffentlichte. Ebenfalls
mehr als lesenswert ist "Supermensch“ von Matthias
Kringe. Hier wird kompetent bebildert erzählt, was wohl passiert
wäre, wenn Supermans Rakete in Carl Barks
Entenuniversum gelandet wäre. Selbst der in vorherigen Ausgaben
eher anstrengende Versuch einer Parodie auf "Veronas Welt"
ist durch den massiven Einsatz von Comicfiguren ganz unterhaltsam.
Überhaupt sind die Beiträge von Guido
Neukamm und Michael Vogt,
wie etwa die "Gladiator"-Filmparodie oder ihre “Quäletuppies“,
mittlerweile auf einem recht hohen Niveau. Am erfolgreichsten hat
sich, auch bedingt durch seine gefakten Anzeigen in MAD (und als
Werbung für MAD in ZACK), die Karriere von Ralph
Ruthe entwickelt. Eigentlich hatte die Dinos geglaubt, das sich
Matthias Kringe zum Star
des MAD-Magazins entwickeln würde, doch mittlerweile sind schon
einige Sonderbände mit den Cartoons von Ruthe erschienen.
Es gibt jedoch beim Dino Verlag ähnliche
Tendenzen wie beim amerikanischen Mutterblatt. Oft werden die Themenschwerpunkte
ziemlich egoistisch ausgewählt. So waren die Simpson
auf dem Titelbild, zu "Star
Wars" und "Star
Trek" gab es haufenweise Covers und Specials und auch die
ebenfalls bei Dino erscheinenden “Digemons“
bleiben natürlich auch nicht unverwustet. Ein weiteres Manko ist
die Tatsache dass oft nicht sonderlich sorgfältig mit dem teilweise hochklassigen Material
aus USA umgegangen wird. Klar, manchmal werden Don Martin-Cartoons oder “Spion
& Spion“ von Prohias sogar sehr hübsch gerahmt als MAD Classic
so originalgetreu wie möglich veröffentlicht.
Doch besonders drastisch war es im“MAD Ultra“ zum Thema Film.
Immerhin wurden die tollen Parodien von Mort
Drucker diesmal im sehr viel schöneren Schwarzweiß veröffentlicht.
Bei der Parodie zu “Star Wars Episode 1“ wurde jedoch die nicht
sonderlich einfühlsam colorierte deutsche Version aus dem Heft 12
einfach nochmals gerastert in Schwarzweiß abgedruckt, was ziemlich
schrecklich aussieht. Bei der Parodie von “Casablanca“ wurde einfach
die letzte Seite weggelassen und die Namen der US-Texter wurden
zugunsten des Übersetzers ganz verschwiegen. Dies wird leider auch
in den Heften immer häufiger praktiziert. In diesem Zusammenhang
vielleicht noch die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, in der Parodie
zum ersten Batman-Film
aus einem Dialog wie: “I love to gaze into your eyes!“ “Because
they´re so incredibly lovely“ “No, because I can see my reflection
in them!“ (“Ich mag es in Deine Augen zu
blicken.“ “Weil sie so schön sind?“ “Nein, weil ich mein Spiegelbild
darin sehe!“) folgende “Übersetzung“ herauszuwürgen: “Ich liebe
Deinen Silberblick, Babe.“ “Weil er mich irgendwie niedlich aussehen
lässt?“ “Weil er mit Deinem Hintern korrespondiert, wenn ich Dir
die Rosette versilbere!“
Ansonsten
ist es natürlich mehr als erfreulich, dass wir wieder mit einem
monatlichen MAD-Heft und zahlreichen zusätzlichen Veröffentlichen
von dem übrigen Haufen der Idioten verwöhnt werden, wobei hoffentlich
die klassischen Werke der amerikanischen MADMAN mit der gebührenden
Sorgfalt behandelt werden.
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