Bereits
1976 erschien beim Fleetway-Vorgänger IPC ein Magazin mit dem schlichten
Titel "Action", der natürlich gleichzeitig auch Konzept
war. Schon in dieser Publikation versuchte Pat Mills, der hauptverantwortlich
für die Ausrichtung des Magazins war, durch die Beimischung von etlichen
Prisen Gewalt und Antiautoritär den etwas fad gewordenen englischen
Comic auch einer an Punk-Musik interessierten Leserschaft wieder schmackhaft
zu machen. Dies sorgte dann auch tatsächlich für viel Aufmerksamkeit,
zum einen bei den englischen Comicfans (es verkauften sich schon recht
bald über 100.000 Exemplare) zum anderen aber auch bei besorgten Eltern
und selbsternannten Moralhütern (Das Revolverblatt “The Sun“ nannte
das Magazin "The Seven-penny Nightmare"), denen die Darstellung
von Gewalt entschieden zu weit ging und die das Einstellen des Magazins
forderten. Der Verlag beugte sich dem Druck der Öffentlichkeit und
stellte “Action“ schon nach 36 Ausgaben wieder ein.
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Fleetway
hatte jedoch von Pat Mills bereits vorsorglich ein Nachfolge-Projekt
konzipieren lassen. "2000 AD" (zunächst „2000 A.
D.“) war zwar nicht weniger gewalttätig und subversiv als sein
Vorläufer, siedelte seine Stories und Serien jedoch in der
Zukunft an. Durch diesen Trick und den offen satirischen Grundton
der Stories war 2000 AD sehr viel schwerer angreifbar als sein Vorgänger.
Der starke Science Fiction-Anteil der Stories hatte auch erhebliche
Vorteile, denn dadurch war es erforderlich die Comics auch optische
interessant zu gestalten. Während sich Action noch eher der
Tradition des englischen Zeitungscomics (das absolute Highlight
ist hier “Modesty Blaise“ eine eigentlich auch schon ganz schön
subversive Serie) verpflichtet fühlte, konnten sich die Zeichner
bei 2000 AD sehr viel stärker an den amerikanischen Comicheften
orientieren. Ein Grund hierfür war sicherlich auch, dass bereits
damals die US-Hefte in England sehr viel populärer waren als
einheimische Comics.
Ein
zusätzlicher Beleg für den schwachen Stand englischer
Serien war sicherlich auch die Tatsache, dass die in "2000
AD" fortgeführte englische Traditionsserie "Dan
Dare: The Eagle" trotz Zeichnungen von Dave Gibbons ("Watchmen")
von der neuen Leserschaft nicht akzeptiert wurde und bereits nach
wenigen Ausgaben wieder aus "2000 AD" verschwand. Optisch
stand "Dan Dare" jedoch weiterhin durchaus Pate, denn
schon bald veränderte sich das schwarzweiße Erscheinungsbild
des Magazins zugunsten einer aufwendigen Direktcolorierung, die
in England seit "Dan Dare" und Don Lawrence Tradition
hatte.
"2000
AD" war auch dadurch bemerkenswert, dass es als erstes Comicmagazin
die Namen seiner Mitarbeiter nannte. Das dies vorher nicht der Fall
war, hatte zum einen den Grund, dass die Herausgeber nicht wollten,
dass andere Verlage an die Zeichner und Autoren herankamen und diese
abwerben konnten. Außerdem wurden viele englische Comics von preiswerten
italienischen und spanischen Zeichnern erstellt, die dann mit einem
Pauschalhonorar pro Seite abgespeist wurden und bei einer Mehrfachverwertung
durch den Verlag natürlich nicht beteiligt wurden.
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Eine
beeindruckende Anzahl talentierter Texter (Alan Moore, John Wagner,
Alan Grant) und Zeichner (Brian Bolland, Dave Gibbons, Kevin O´Neill),
die alle mit amerikanischen Comics groß geworden und teilweise
auch schon für Underground-Magazine gearbeitet hatten, lieferten
nun Beiträge für "2000 AD". So entstanden Charaktere
die nicht nur die allerjüngsten Comicfans ansprachen. Am populärsten
wurde Judge Dredd, der seit der zweiten Ausgabe von 2000 AD in nahezu
jedem Heft vertreten war. Seine in Mega City One angesiedelten Geschichten
sind sowohl temporeiche Action als auch Satire auf übersteigerte
“Law and Order“-Mentalität. Die Hauptfigur ist dabei sowohl
Held, der für das Gesetz eintritt als auch Schurke, der zu
sehr drastischen Methoden greift. So steht die kritische Grundhaltung
der Geschichten von Alan Grant, oft durchaus in der Tradition von
George Orwells "1984"
oder Aldous Huxleys "Schöne Neuer Welt",
manchmal aber gleichzeitig auch im krassen Gegensatz zu den opulenten
Bildern, die den gleich vor Ort exekutierenden Richter sehr stark
glorifizierten. Dadurch können diese Geschichten auf vielerlei
Arten gelesen werden und zwingen den Leser eine eigene Position
zu beziehen.
Auch Serien wie die Space Operas "Nemesis" und "Halo
Jones" nahmen versteckt (und ohne dadurch wenig unterhaltsam
zu sein) Stellung zu Themen wie Feminis-, Militaris- und Rassismus.
Selbst der scheinbar als platter "Conan"-Verschnitt
angelegte "Slaine", eine der wenigen "2000 AD"-Serien,
die nicht in der Zukunft spielt, hatte neben Einflüssen der keltischen
Mythologie auch immer wieder satirische Axthiebe auf heutige Zustände
zu bieten. "2000 AD" hatte nicht nur Erfolg bei heranwachsenden
Teenagern, sondern auch bei Rockstars, die den (Anti-) Helden des
Magazins etliche Songs widmeten. Die Auflage des Magazins stieg
auf 120.000 verkaufte Exemplare. Weitere Serien wie "ABC Warriors",
"Rogue Trooper" und "Strontium Dogs" (aus dieser
Serie ging später "Durham Red" hervor) wurden nach Abdruck
in 2000 AD unter dem damals angesagten Oberbegriff Graphik Novel
erfolgreich als Alben gleich noch ein zweites Mal vermarktet.
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Aufmerksam
geworden durch den Erfolg von "2000 AD" starteten auch
einige andere ähnlich gelagerte Magazine in England. Doch weder
das an eine jüngere Leserschaft gerichtete "Starblazer"
noch "Warrior", hier veröffentlichte immerhin Alan Moore
sein "V for Vendetta",
konnten sich lange halten. Deutlich erfolgreicher war das Magazin
"Deadline", denn was "Judge Dredd" für "2000
AD" war, stellte "Tank Girl" von James Hewlett ("Gorillaz")
für "Deadline" dar.
Doch
auch außerhalb Englands fiel der Erfolg von 2000 AD auf und die
Amis begannen sich für englische Comickünstler zu interessieren.
Vorreiter war hier Alan Moore, der zunächst "Swamp Thing"
textete, dort John Constantine
erfand und später gemeinsam mit Zeichner Dave Gibbons die bahnbrechende
Miniserie "Watchmen" schuf.
Da hatten doch tatsächlich zwei Briten im Alleingang für DC einen
Comic gestaltet, der den ganzen amerikanischen Comicmarkt aufmischte!
Daraufhin interessierten sich amerikanische Verlage plötzlich massiv
für die englische Comicszene. So wäre die DC-Tochter "Vertigo"
ohne englische Comicschaffende wahrscheinlich nie entstanden. Viele
britische Texter und Zeichner begannen nun, dank besserer kreativer
und vor allem auch finanzieller Konditionen (höhere Honorare und
zusätzliche Entlohnung bei Mehrfachverwertung), für amerikanische
Verlage zu arbeiten. Also mußten neue britische Texter (Garth Ennis,
Grant Morrison, Peter Milligan) und Zeichner (Simon Bisley, Glenn
Fabry) für "2000 AD" gefunden werden, die sich jedoch
nach ihren ersten Erfolgen auch wieder zunehmend in Richtung USA
orientierten.
In
den achtziger Jahren beherrschten die zahleichen amerikanische Superhelden-Comics
den britischen Comicmarkt. Fleetway reagierte indem 1986 auch in
"2000 AD" erfolgreich ein Superheld namens "Zenith"
präsentiert wurde und indem versucht wurde vier neue Magazine auf
dem Mark zu plazieren. Doch nur "The Judge Dredd Megazine"
konnte sich dauerhaft behaupten. Die anderen Fleetway-Magazine "Crisis",
"X-Presso" und "Revolver" (wieder mit "Dan
Dare: The Eagle", diesmal von Grant Morrison allerdings als
Parodie auf die imperialistischen Tendenzen der Serie gestaltet)
versuchten erfolglos auch Geschichten zu erzählen, die nicht in
der Zukunft spielen. Die Publikationen wurden meistens schon nach
wenigen Ausgaben wieder eingestellt. Nahezu zeitgleich herausgebrachten
neuen Magazinen von Marvel ("Strip“, "Meltdown“ und "Overkill“)
erging es übrigens auch nicht besser.
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1995
machte sich Fleetway ziemlich große Hoffnungen als ihre erfolgreichste
Figur "Judge Dredd" im Zentrum einer millionenschweren
Hollywood-Produktion stand. Daraufhin erschienen weitere meist
etwas kindgerechtere Comicmagazine mit dem Richter heraus. Doch
der Film floppte. Fans schoben es darauf, dass Sylvester Stallone
in der Titelrolle meist ohne den Helm agierte. Ein Grund für das
Scheitern könnte auch gewesen sein, dass der Film zwar ein beeindruckendes
optisches Konzept gefunden hat, sich jedoch kaum für die satirischen
Komponenten der Serie interessierte. Stallone gab während der Filmpromotion
sogar Statements ab in denen er die Methoden Dredds ausdrücklich
guthieß. Nahezu zeitgleich scheiterte übrigens auch eine noch sehr
viel stärker mißlungene "Tank Girl"-Verfilmung, während
2012 der sehr gelungene recht werkgetreue Film "Dredd"
in die Kinos kam.
Obwohl
sich die Hoffnungen auf den ganz großen weltweiten Durchbruch
(noch) nicht erfüllt haben, hält sich "2000 AD"
wacker auf dem kränkelnden englischen Comic Markt. Mittlerweile
hat Fleetway sogar wieder ganz gute Chancen seine Comics auch außerhalb
Englands zu plazieren. Hilfreich ist dabei so mancher außerhalb
Englands zum Topautor (etwa Garth Ennis bei "Judge Dredd")
oder Starzeichner (etwa Simon Bisley bei "Slaine") mutierte
ehemalige 2000 AD-Mitarbeiter, der durch die Neugierde der Fanboys
auf die Frühwerke ihrer Idole helfen könnte, britische
Serien auch in den USA und Kontinentaleuropa populär zu machen.
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