Gerhard Seyfried war in
den siebziger Jahren eine Galionsfigur der linken undogmatischen
Bewegung, konnte er doch wie kaum sonst einer das Lebensgefühl
einer Generation in knappen pointierten Comics und Cartoons (u.a.
im Münchner „Blatt“ und dem Rotbuch “Wo soll das alles enden?“)
ausdrücken. So wundert es nicht, wenn der Eichborn Verlag in der
Ankündigung zu Seyfrieds zweitem Roman (nach
seinem voluminösem Werk "Herero") mit Begriffen wie "Spaßguerilla“ und "ausgelassene
Lebensfreude“ wirbt. Wer sich jedoch einen vergnüglichen Ausflug
in die Sponti-Welt der siebziger Jahre erwartet, wird enttäuscht.
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Seyfried schildert die Erlebnisse von Fred, einem 68er, der sich
anfangs eher leidenschaftslos in der "Roten Hilfe“ engagiert, bis er
dort auf Jenny trifft. Die scheint, da sie in unregelmäßigen Abständen abtaucht,
in geheimnisvolle, vielleicht subversive Aktionen verwickelt, deren Inhalt
weder Fred noch der Leser erfahren. Zwischen den beiden bahnt sich eine
spröde Beziehung an. In der Folge gerät Fred gemeinsam seinen Freunden aus
der WG in einen Strudel von politischer Gewalt und Gegengewalt. Sie werfen
Mollis in Bildzeitungskästen oder zünden den BMW eines CSU-Abgeordneten an
und werden immer wieder vorgeladen, ohne dass ihnen etwas nachzuweisen ist.
Als Jenny im Anschluss an die Schleyer-Entführung verhaftet wird, muss Fred
vorübergehend in den Untergrund gehen. Jenny gelingt die Flucht aus dem
Gefängnis; von nun an ist sie gezwungen, mit falschen Papieren in der DDR
und im Ausland zu leben. Freunde organisieren für das Paar hin und wieder
geheime Treffen. Während sich Fred immer mehr mit dem Gedanken anfreundet,
sich dem "bewaffneten Kampf“ anzuschließen, trägt Jenny sich mit
Ausstiegsplänen. Doch dazu soll es nicht mehr kommen.
Den Anstoß zur Verlagswerbung gaben wohl die
ungeníerten, detaillierten Schilderungen der politischen Aktionen in der
ersten Hälfte des Romans. Ungeniert deshalb, weil ohne Distanz erzählt und
weil sich nicht der geringste Hinweis auf das Warum, geschweige denn eine
Reflexion über Strategie und Moral solcher Aktivitäten findet. Der Tenor
lautet eher: "Dem gehört mal eine auf´s Maul, aber wirklich“ (S. 122),
oder: "Dem Arsch zeigen wir´s“ (S. 124) Dass Seyfried seine
chronologischen, zwanghaft faktischen und zeitweise im Pennälerton
geschriebenen Berichte mit Originalzitaten aus Zeitungsmeldungen,
Dokumenten oder auch Flugblättern jener Tage ergänzt, reicht nicht aus, um
das Geschehen nachvollziehbar zu machen oder den Akteuren gar politische
Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dabei gab es die Gewaltdiskussion in jenen
Tagen durchaus.
Ähnlich unbefriedigend ist die Darstellung der
blutleeren Beziehung zwischen Fred und Jenny, die von einem durchweg depressiven
Unterton beherrscht wird. Selbst Fred konstatiert irgendwann: "Sie
reden ja nie miteinander über ihre Gefühle“ (S. 107).
Erst im letzten Drittel des Romans verliert der Autor
seine übergroße Distanz zu den Figuren, und als es nicht mehr um Aktionen
gegen die Staatsmacht geht, sondern letztlich nur noch um Jennys Überleben,
sieht man sich auch als Leser von den Ereignissen mitgerissen. Fast scheint
es, als würde es der Autor den Personen gestatten, "menschlich“ zu
sein, sobald die "Politik“ nicht mehr an erster Stelle steht.
Bleibt zu hoffen: Wenn der Roman tatsächlich
(größtenteils) autobiographisch ist, wie der Verlag behauptet, dass es
Leute gegeben hat, die dem "kurzen Sommer der Anarchie“ mehr
Lebensfreude abgewinnen konnten als die Protagonisten dieses Romans,
politischer Kampf hin oder her.
B. S.
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