Zugegeben
war ich nie ein großer Fan von Metallica. Das ganze Image
zu vordergründig, Texte zu banal (erinnert sich noch jemand an die
poetische Kraft eines Ronnie James Dio? "In the light of the night
, in the dark of the day: Look Out!" und die Zielgruppe von
"Meister der Puppen", "Ois and´re zählt nicht", "Justice for all"
und die "Unvergebenen" zu klar definiert, als dass mir die Bosheit
authentisch genug erschien. Es sollte nur das Identifikationssignal
gesendet werden: Wir verstehen euch, wir sind wie ihr, verärgert,
böse, geschunden von der Gesellschaft und dem Leben, richtige Männer,
die immer noch nach den richtigen Frauen suchen, wir sind laut,
sagen unbequeme Sachen, die ihr euch dem Chef gegenüber nicht erlauben
dürft und ausserdem sind wir sehr gut beim grimmig schauen, tun
geheimnisvoll und ziehen uns IMMER schwarz an. Hoffentlich hat jemand
Angst davor.
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Allerdings
kann man den Erfolg anerkennen, die Konsequenz und Deutlichkeit
des Konzeptes und gewissermaßen die massenkompatible Quintessenz
des Metal kondensiert in dem insgesamt schlüssigen Act. Die sportliche
Leistung ( 8 Minuten “Master of Puppets“ ), das bestehen am Markt
( ist wirklich nicht einfach ) sind absolute Parameter und wenn
man ´mal einen Konzertmitschnitt im TV sieht, muss man ganz klar
erkennen, woher der Erfolg kommt. Das ist harte Arbeit. Immer grimmig
schauen, nur dreckig lachen und dann haben die ja auch total schwarze
Gitarren...
Lou
Reed mag ich ganz gern. Weniger aus der Zeit von Velvet
Underground als er im Umfeld des Marketingmeisters Andy dem
Warhol, welcher einer blasierten Oberschicht im Zuge ihres Selbstverständnisses
verkappter Bohemians Suppendosen als Kunst verkaufen konnte, denn
natürlich musste man als intellektueller Geist, den Fraß, mit dem
das gemeine Volk abgespeist wurde, als verwerflich zur Schau stellen
oder ikonisieren, oder jedenfalls konnte man darüber reden und wer
weiß, vielleicht ließ sich das Punkmädchen da drüben ja mit ein
bisschen Luxus überreden, wenn man glaubhaft macht, man verstehe
sie. Oder war ihr das egal? Jedenfalls Lou Reed, "New York", "Magic
and Loss", Soloalben sehr echt. Sehr direkt. Sehr wahr und intensiv
in der Wiedergabe des Elends amerikanischer Grosstädte, Bigotterie
der Gesellschaft, Aids, Drogen, was wir alles kennen, wissen und
uns doch immer ´mal wieder zu Bewusstsein rufen müssen: Den meisten
Leuten geht es ganz schön beschissen (hey , das reimt sich) und
vor allem viel schlechter als uns. Ohne Perspektive. OHNE. Das mit
seiner Stimme, und ebenso schlichten wie eindringlichen und coolen
Gitarren. "You can´t beat two guitars, Drums and Bass." Da ist man
schon neugierig, was der glaubwürdige Rebell, Ex-Junkie und Punkidol
mit den souverän das Business reitenden Kommerzrockers zusammen
noch schafft.
Geschlachtete
Schaufensterpuppe auf dem Cover. Doppel-CD. Aber nur 11,99 in zentraleuropäischer
Übergangswährung. Skepsis kommt auf. Na gut die machen initialen
Verkaufsdruck über den Preis. Das neue, billig, geht. Booklet blätter.
Skespsis bleibt. Viel Text. Grimmige, schwarz angezogene Männer
sitzen nebeneinander. Lou Reed Porträt. Viel Text. Viele Seiten.
Wenig eindrucksvolle Bilder der geschlachtete Schaufensterpuppe
offenbar älteren Modelles, was wohl eine Reminiszenz an vergangene
Grandezza vermitteln soll, als sogar Schaufensterpuppen handbemalt
wurden. Das wirkt traditionsbewusst, nachdenklich und dabei doch
irgendwie eines möglicherweise zum Untergang verdammten, menschlichen
Herrschaftsstrebens entgegen voll kritischer Weisheit. Die Schaufensterpuppe.
Offenbar Lulu. In verschiedenen, kaum aussagekräftigen Positionen.
Mal mehr Gliedmassen, mal ohne. Immer mit dem toten Blick der großen
Glasaugen unter Kunststoffwimpern. Aber: es geht um die Musik. Da
geht das los mit perfektionistisch nachbearbeiteten Akustikgitarrenschrammel.
Der
Student hätte es im Homerecording nicht sauberer machen können,
um seinen professionellen Anspruch zu manifestieren. Wie gut dass
es ProTools gibt und man nicht das Leben aufgenommen, lassen muss
wie es ist. Rock´n´Roll ? Wegretuschiert. Es folgen irgendwie strukturell
undurchsichtige Songcollagen mit Sprenkeln von Heavy Gitarren in
vergleichbar unorigineller Manier. Standard , nur Standard. Sounds
alle genauso perfekt, wie vorhersehbar. Nein langweilig. Zigfach
dagewesen. Uninspiriert? Es muss an der Erwartungshaltung liegen.
Metallica Fans aufgemerkt. Finger weg von diesem Album
um größerer Enttäuschung vorzubeugen. Man weiß nicht so recht, wohin
soll das weisen ? Die immer weiter auftauchenden Retortensounds
wechseln sich ab, aber bieten einem weder klare Linie, noch Anhaltspunkte.
Die Nummern sind nicht aus einem Guss, sondern verlaufen sich in
Spielereien ohne Kraft. Irgendwie ist das anstrengend. Die Stimme
von Lou Reed ist wie immer. Da ändert sich wohl nichts mehr. Man
sollte wohl die Texte lesen. Vielleicht dass man dann versteht,
was kann dahinterstecken? Es zieht sich. Es reißt nicht mit. Es
packt nicht. Gar nicht. Ich glaub, da muss man sich erst ´reinhören.
Da dämmert mir eine Erklärung: Denen ist passiert, was so manchem
auf die alten Tage in den Rücken fällt. Metallica hat es
schon vorher einmal getroffen, als sie meinten ihre Hits mit einem
Symphonie Orchester aufnehmen zu müssen. Das ist immer, wenn sie
anfangen sich doch noch auf Grund ihrer pubertären Underdogkomplexe
gegenüber dem Establishment vor demselben verneigen zu müssen, wenn
es dasselbe wegen des Geldes (genau darum geht´s nämlich im Establishment)
zulässt. Da kommen dann die "Fans" im Smoking in die Royal Albert
Hall und hören kindische Streicherarrangements von Heavy Metal Riffs
und fühlen sich verständig, während der Freizeitrocker mangels Barschaft
für eine allzu teure Eintrittskarte (und mangels Smoking) sich zuhause
beim Hören der Platte zum verdienten Feierabend nach dem Büro denken
darf: Denen haben wir gezeigt, dass unsere Musik genauso gut und
wertvoll ist wie Henry Purcell. Oh nichts gegen Klassik. Ich mach´
das selbst. Und wir wissen inzwischen, wie ein Beethoven, ein Mozart
wirklich und eben gar nicht politisch korrekt waren.
Warum
nur passiert es immer wieder, dass sich erfolgreiche Größen, und
gerade die erfolgreichsten am Ende noch mal etwas beweisen müssen?
Und damit ihre Erfolge entwerten. Man muss einfach wissen, wann´s
am schönsten ist und aufhören können. Oder roch da einer von der
Plattenfirma noch mehr Profit? Wenn man alt ist, Spitzenerfolge
feiern durfte und den Allerwertesten voller Kohlen hat, schmeißt
man sich auf eine Palmeninsel oder wahlweise in ein schottisches
Landhaus (damit nicht womöglich ein Foto vom Hetfield im bunten
Hemd auftaucht auf dem der Hammet lacht und gelbe (!) Ananas lutscht)
und lässt alle Viere g´rad sein oder widmet sich wohltätigen Projekten,
wie sich das gehört.
Aber
nein, die müssen unbedingt endlich bedeutend werden, Kunst machen,
tiefsinnig und unverständlich. Man hätte das auf den ersten Blick
sehen müssen: Das Cover ist farbig. Dazu folgende Anekdote: Zu Zeiten
eines sich zusehends auflösenden Kunstbegriffes äußert einer aus
der Runde bereits reichlich dem Rausch verfallener Kreativlinge
bei einer der üblichen Diskussionen, was Kunst sei, gegenüber Bertolt
dem Brecht provozierend: "Kunst ist, wenn jemand auf den Tisch scheißt!"
Darauf Brecht: "Nein, Kunst ist, wenn jemand unter Beifall auf den
Tisch scheißt."
Deshalb
muss jeder selbst entscheiden: Ist das Kunst oder kann das weg?
bernhard
r.c.faaß www.empyreal.de
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