Ist das Kunst oder kann das weg?


 
Interpret/Komponist: Lou Reed & Metallica
Titel: Lulu
Tracks: 10
Label: Mercury (Universal)
Website: www.empyreal.de  


Zugegeben war ich nie ein großer Fan von Metallica. Das ganze Image zu vordergründig, Texte zu banal (erinnert sich noch jemand an die poetische Kraft eines Ronnie James Dio? "In the light of the night , in the dark of the day: Look Out!" und die Zielgruppe von "Meister der Puppen", "Ois and´re zählt nicht", "Justice for all" und die "Unvergebenen" zu klar definiert, als dass mir die Bosheit authentisch genug erschien. Es sollte nur das Identifikationssignal gesendet werden: Wir verstehen euch, wir sind wie ihr, verärgert, böse, geschunden von der Gesellschaft und dem Leben, richtige Männer, die immer noch nach den richtigen Frauen suchen, wir sind laut, sagen unbequeme Sachen, die ihr euch dem Chef gegenüber nicht erlauben dürft und ausserdem sind wir sehr gut beim grimmig schauen, tun geheimnisvoll und ziehen uns IMMER schwarz an. Hoffentlich hat jemand Angst davor.
 
    
 

Allerdings kann man den Erfolg anerkennen, die Konsequenz und Deutlichkeit des Konzeptes und gewissermaßen die massenkompatible Quintessenz des Metal kondensiert in dem insgesamt schlüssigen Act. Die sportliche Leistung ( 8 Minuten “Master of Puppets“ ), das bestehen am Markt ( ist wirklich nicht einfach ) sind absolute Parameter und wenn man ´mal einen Konzertmitschnitt im TV sieht, muss man ganz klar erkennen, woher der Erfolg kommt. Das ist harte Arbeit. Immer grimmig schauen, nur dreckig lachen und dann haben die ja auch total schwarze Gitarren...

Lou Reed mag ich ganz gern. Weniger aus der Zeit von Velvet Underground als er im Umfeld des Marketingmeisters Andy dem Warhol, welcher einer blasierten Oberschicht im Zuge ihres Selbstverständnisses verkappter Bohemians Suppendosen als Kunst verkaufen konnte, denn natürlich musste man als intellektueller Geist, den Fraß, mit dem das gemeine Volk abgespeist wurde, als verwerflich zur Schau stellen oder ikonisieren, oder jedenfalls konnte man darüber reden und wer weiß, vielleicht ließ sich das Punkmädchen da drüben ja mit ein bisschen Luxus überreden, wenn man glaubhaft macht, man verstehe sie. Oder war ihr das egal? Jedenfalls Lou Reed, "New York", "Magic and Loss", Soloalben sehr echt. Sehr direkt. Sehr wahr und intensiv in der Wiedergabe des Elends amerikanischer Grosstädte, Bigotterie der Gesellschaft, Aids, Drogen, was wir alles kennen, wissen und uns doch immer ´mal wieder zu Bewusstsein rufen müssen: Den meisten Leuten geht es ganz schön beschissen (hey , das reimt sich) und vor allem viel schlechter als uns. Ohne Perspektive. OHNE. Das mit seiner Stimme, und ebenso schlichten wie eindringlichen und coolen Gitarren. "You can´t beat two guitars, Drums and Bass." Da ist man schon neugierig, was der glaubwürdige Rebell, Ex-Junkie und Punkidol mit den souverän das Business reitenden Kommerzrockers zusammen noch schafft.

Geschlachtete Schaufensterpuppe auf dem Cover. Doppel-CD. Aber nur 11,99 in zentraleuropäischer Übergangswährung. Skepsis kommt auf. Na gut die machen initialen Verkaufsdruck über den Preis. Das neue, billig, geht. Booklet blätter. Skespsis bleibt. Viel Text. Grimmige, schwarz angezogene Männer sitzen nebeneinander. Lou Reed Porträt. Viel Text. Viele Seiten. Wenig eindrucksvolle Bilder der geschlachtete Schaufensterpuppe offenbar älteren Modelles, was wohl eine Reminiszenz an vergangene Grandezza vermitteln soll, als sogar Schaufensterpuppen handbemalt wurden. Das wirkt traditionsbewusst, nachdenklich und dabei doch irgendwie eines möglicherweise zum Untergang verdammten, menschlichen Herrschaftsstrebens entgegen voll kritischer Weisheit. Die Schaufensterpuppe. Offenbar Lulu. In verschiedenen, kaum aussagekräftigen Positionen. Mal mehr Gliedmassen, mal ohne. Immer mit dem toten Blick der großen Glasaugen unter Kunststoffwimpern. Aber: es geht um die Musik. Da geht das los mit perfektionistisch nachbearbeiteten Akustikgitarrenschrammel.

Der Student hätte es im Homerecording nicht sauberer machen können, um seinen professionellen Anspruch zu manifestieren. Wie gut dass es ProTools gibt und man nicht das Leben aufgenommen, lassen muss wie es ist. Rock´n´Roll ? Wegretuschiert. Es folgen irgendwie strukturell undurchsichtige Songcollagen mit Sprenkeln von Heavy Gitarren in vergleichbar unorigineller Manier. Standard , nur Standard. Sounds alle genauso perfekt, wie vorhersehbar. Nein langweilig. Zigfach dagewesen. Uninspiriert? Es muss an der Erwartungshaltung liegen. Metallica Fans aufgemerkt. Finger weg von diesem Album um größerer Enttäuschung vorzubeugen. Man weiß nicht so recht, wohin soll das weisen ? Die immer weiter auftauchenden Retortensounds wechseln sich ab, aber bieten einem weder klare Linie, noch Anhaltspunkte. Die Nummern sind nicht aus einem Guss, sondern verlaufen sich in Spielereien ohne Kraft. Irgendwie ist das anstrengend. Die Stimme von Lou Reed ist wie immer. Da ändert sich wohl nichts mehr. Man sollte wohl die Texte lesen. Vielleicht dass man dann versteht, was kann dahinterstecken? Es zieht sich. Es reißt nicht mit. Es packt nicht. Gar nicht. Ich glaub, da muss man sich erst ´reinhören. Da dämmert mir eine Erklärung: Denen ist passiert, was so manchem auf die alten Tage in den Rücken fällt. Metallica hat es schon vorher einmal getroffen, als sie meinten ihre Hits mit einem Symphonie Orchester aufnehmen zu müssen. Das ist immer, wenn sie anfangen sich doch noch auf Grund ihrer pubertären Underdogkomplexe gegenüber dem Establishment vor demselben verneigen zu müssen, wenn es dasselbe wegen des Geldes (genau darum geht´s nämlich im Establishment) zulässt. Da kommen dann die "Fans" im Smoking in die Royal Albert Hall und hören kindische Streicherarrangements von Heavy Metal Riffs und fühlen sich verständig, während der Freizeitrocker mangels Barschaft für eine allzu teure Eintrittskarte (und mangels Smoking) sich zuhause beim Hören der Platte zum verdienten Feierabend nach dem Büro denken darf: Denen haben wir gezeigt, dass unsere Musik genauso gut und wertvoll ist wie Henry Purcell. Oh nichts gegen Klassik. Ich mach´ das selbst. Und wir wissen inzwischen, wie ein Beethoven, ein Mozart wirklich und eben gar nicht politisch korrekt waren.

Warum nur passiert es immer wieder, dass sich erfolgreiche Größen, und gerade die erfolgreichsten am Ende noch mal etwas beweisen müssen? Und damit ihre Erfolge entwerten. Man muss einfach wissen, wann´s am schönsten ist und aufhören können. Oder roch da einer von der Plattenfirma noch mehr Profit? Wenn man alt ist, Spitzenerfolge feiern durfte und den Allerwertesten voller Kohlen hat, schmeißt man sich auf eine Palmeninsel oder wahlweise in ein schottisches Landhaus (damit nicht womöglich ein Foto vom Hetfield im bunten Hemd auftaucht auf dem der Hammet lacht und gelbe (!) Ananas lutscht) und lässt alle Viere g´rad sein oder widmet sich wohltätigen Projekten, wie sich das gehört.

Aber nein, die müssen unbedingt endlich bedeutend werden, Kunst machen, tiefsinnig und unverständlich. Man hätte das auf den ersten Blick sehen müssen: Das Cover ist farbig. Dazu folgende Anekdote: Zu Zeiten eines sich zusehends auflösenden Kunstbegriffes äußert einer aus der Runde bereits reichlich dem Rausch verfallener Kreativlinge bei einer der üblichen Diskussionen, was Kunst sei, gegenüber Bertolt dem Brecht provozierend: "Kunst ist, wenn jemand auf den Tisch scheißt!" Darauf Brecht: "Nein, Kunst ist, wenn jemand unter Beifall auf den Tisch scheißt."

Deshalb muss jeder selbst entscheiden: Ist das Kunst oder kann das weg?

bernhard r.c.faaß www.empyreal.de

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