Mit "Ein
Sommer in Paris“ liegt der zweite Teil der Geschichte “Unter
dem Hakenkreuz“ auf Deutsch vor. Im frankobelgischen Raum konnte
die Comic-Serie von Anfang an die Kritiker überzeugen. Der erste Band
wurde mit dem Prix du Jury oecuménique d´Angouleme 2002,
dem Second lauréat au prix de la ville de Genève 2001 und
dem Bédélys d´Or Montréal 2001 ausgezeichnet. Von den 10
geplanten Bänden sind in Frankreich bereits vier erschienen. Auch
in Deutschland wurde der erste Band mit dem Titel “Der
letzte Frühling“ sehr positiv aufgenommen (z.B. von Fritz
Göttler in der SZ vom 23.06.2009: “Es ist die große französische
Tradition der Comic-Erzählung, die hier gepflegt wird, …“). Daher
waren die Erwartungen an die Fortsetzung natürlich sehr hoch.
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Der
Rückblick der Hauptfigur Martin auf seine frühen Jugendjahre endete
im ersten Band in einer rheinischen Kleinstadt im Jahre 1933. Der
zweite Band zeigt ihn in Paris im Dezember 1938. Unter den bunt
gemischten Gästen im Café Bohème ist Martin Mahner häufiger
anzutreffen als in der Bibliothek, wo er eigentlich seine Doktorarbeit
schreiben wollte. Da sind der aufstrebende Maler Lawrence, der arbeitslose
Schauspieler Henry, der Shampoo verkaufende Kommunist Vogel - und
Katharina, die sich jetzt Cathérine nennt. Es hätte ein unbeschwertes
Intermezzo nach dem beendeten Studium sein können, dieses Jahr in
Paris. Doch die lustigen Gesellen im Quartier Latin sind zum großen
Teil Politflüchtlinge aus Nazi-Deutschland. Und in den französischen
Behörden gibt es durchaus Sympathisanten mit den braunen Nachbarn
jenseits des Rheins .
Die Geschichte wird weiterhin getragen von der tiefen Liebe Martins
für Katharina, die nach der Schulzeit noch immer andauert. Neben
seinen Unzulänglichkeiten (Passivität, strenge Erziehung, Schüchternheit),
die es Martin unmöglich machen, sich ihr zu offenbaren, verschlechtern
sich auch die äußeren Umstände. Katharina war von Ihren Eltern ins
Ausland geschickt worden, um sie als Jüdin vor dem wachsenden Nazi-Terror
in Sicherheit zu bringen. Und auch Martin konnte den dumpfen und
menschenverachtenden braunen Geist in seiner Heimatstadt nicht mehr
aushalten. Doch der behüteten Schulzeit folgt eine planlose Studienzeit
in Frankreich, die von den tragischen Schicksalen der Freunde und
Bekannten geprägt ist. Als er Maria, der Ex-Freundin eines Freundes,
näher kommt, scheint Licht in sein überschattetes Leben zu kommen,
doch der Rückschlag kommt stehenden Fußes. Das Deutsche Reich marschiert
in Polen ein und Martin fährt als unerwünschter Deutscher zurück
nach Hause, wo der Einberufungsbefehl auf ihn wartet.
Im Mittelpunkt der Erzählung stehen
die zerbrechlichen Beziehungen der Menschen zueinander, allen voran
die unerfüllte Liebe Martins zu Katharina. Daher drückt der französische
Serien-Titel “Amours Fragiles“ besser den Kern der Geschichte
aus, als der deutsche. Dabei gelingt es Philippe Richelle und Jean-Michel
Beuriot in eher stillen als lauten Tönen ihre Figuren als vielfältige
Persönlichkeiten mit feinen Nuancen und Gefühlen zu zeigen. Die
Serie setzt sich wohltuend von vielen Vorgängern ab, die eher zur
Schwarzweiß-Malerei neigen (vor allem bei den negativen Figuren,
wie Nazis und Mitläufern).
Doch auch der Serien-Titel “Unter
dem Hakenkreuz“ hat seine Berechtigung. Autor und Zeichner
verbinden die Liebesgeschichten mit der Zeitgeschichte des Dritten
Reiches. Laut des deutschen Herausgebers Schreiber & Leser
brauchten Philippe Richelle und Jean-Michel Beuriot über zehn Jahre
für ihre Recherchen zu den ersten drei Bänden. Der Nationalsozialismus
ist hier kein x-beliebiger Hintergrund einer billigen Effekthascherei.
Die Beiden zeigen unaufdringlich, wie die Ereignisse in den Alltag
der Protagonisten mehr oder weniger drastisch einfließen und von
ihrem Leben zunehmend Besitz ergreifen. Die sensible Erzählweise
und der Auftritt differenzierter Figuren vermitteln eine Ahnung,
wie ein Leben damals vielleicht verlaufen ist.
Erschreckend an “Ein Sommer in
Paris“ ist die Aktualität des Gezeigten. Wenn Menschen durch
Arbeitslosigkeit ihre Würde genommen wird, sie verbittern, und schließlich
ihre Beziehungen zerbrechen, dann sind das Erfahrungen, die unzählige
Arbeitslose seit Jahren wieder und wieder durchmachen müssen. Eine
Politik, die mit Steuergeldern den Bankmanagern deren astronomisch-hohen
Boni und weiterhin unverantwortliche Spekulationen ermöglicht, anstatt
dem Volk zu Lohn und Brot zu verhelfen, hat aus der Geschichte nichts
gelernt. Inwieweit sind Menschen bereit ihre Überzeugungen und Werte
zu verkaufen, um dem Elend zu entgehen? Die Frage, ob man, angesichts
der Existenzbedrohung, für einen Staat zum Spitzel werden soll oder
darf, stellte sich nicht nur in den 1930/40er Jahren, sondern wird
auch 20 Jahre nach dem Mauerfall noch diskutiert.
Ralf Palandt
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