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Erschreckend aktuell


 
Titel: Unter dem Hakenkreuz 02: Ein Sommer in Paris
Text: Philippe Richelle
Zeichnungen/Inking/Farben: Jean-Michel Beuriot / - / Scarlett Smulkowski
Umfang: 56 Seiten
Format: Hardcover / vf.
Preis: EUR 18,80
Verlag: Alles Gute! / Schreiber & Leser
Website: www.schreiberundleser.de  


Mit "Ein Sommer in Paris“ liegt der zweite Teil der Geschichte “Unter dem Hakenkreuz“ auf Deutsch vor. Im frankobelgischen Raum konnte die Comic-Serie von Anfang an die Kritiker überzeugen. Der erste Band wurde mit dem Prix du Jury oecuménique d´Angouleme 2002, dem Second lauréat au prix de la ville de Genève 2001 und dem Bédélys d´Or Montréal 2001 ausgezeichnet. Von den 10 geplanten Bänden sind in Frankreich bereits vier erschienen. Auch in Deutschland wurde der erste Band mit dem Titel “Der letzte Frühling“ sehr positiv aufgenommen (z.B. von Fritz Göttler in der SZ vom 23.06.2009: “Es ist die große französische Tradition der Comic-Erzählung, die hier gepflegt wird, …“). Daher waren die Erwartungen an die Fortsetzung natürlich sehr hoch.
 
    
 

Der Rückblick der Hauptfigur Martin auf seine frühen Jugendjahre endete im ersten Band in einer rheinischen Kleinstadt im Jahre 1933. Der zweite Band zeigt ihn in Paris im Dezember 1938. Unter den bunt gemischten Gästen im Café Bohème ist Martin Mahner häufiger anzutreffen als in der Bibliothek, wo er eigentlich seine Doktorarbeit schreiben wollte. Da sind der aufstrebende Maler Lawrence, der arbeitslose Schauspieler Henry, der Shampoo verkaufende Kommunist Vogel - und Katharina, die sich jetzt Cathérine nennt. Es hätte ein unbeschwertes Intermezzo nach dem beendeten Studium sein können, dieses Jahr in Paris. Doch die lustigen Gesellen im Quartier Latin sind zum großen Teil Politflüchtlinge aus Nazi-Deutschland. Und in den französischen Behörden gibt es durchaus Sympathisanten mit den braunen Nachbarn jenseits des Rheins .

Die Geschichte wird weiterhin getragen von der tiefen Liebe Martins für Katharina, die nach der Schulzeit noch immer andauert. Neben seinen Unzulänglichkeiten (Passivität, strenge Erziehung, Schüchternheit), die es Martin unmöglich machen, sich ihr zu offenbaren, verschlechtern sich auch die äußeren Umstände. Katharina war von Ihren Eltern ins Ausland geschickt worden, um sie als Jüdin vor dem wachsenden Nazi-Terror in Sicherheit zu bringen. Und auch Martin konnte den dumpfen und menschenverachtenden braunen Geist in seiner Heimatstadt nicht mehr aushalten. Doch der behüteten Schulzeit folgt eine planlose Studienzeit in Frankreich, die von den tragischen Schicksalen der Freunde und Bekannten geprägt ist. Als er Maria, der Ex-Freundin eines Freundes, näher kommt, scheint Licht in sein überschattetes Leben zu kommen, doch der Rückschlag kommt stehenden Fußes. Das Deutsche Reich marschiert in Polen ein und Martin fährt als unerwünschter Deutscher zurück nach Hause, wo der Einberufungsbefehl auf ihn wartet.

Im Mittelpunkt der Erzählung stehen die zerbrechlichen Beziehungen der Menschen zueinander, allen voran die unerfüllte Liebe Martins zu Katharina. Daher drückt der französische Serien-Titel “Amours Fragiles“ besser den Kern der Geschichte aus, als der deutsche. Dabei gelingt es Philippe Richelle und Jean-Michel Beuriot in eher stillen als lauten Tönen ihre Figuren als vielfältige Persönlichkeiten mit feinen Nuancen und Gefühlen zu zeigen. Die Serie setzt sich wohltuend von vielen Vorgängern ab, die eher zur Schwarzweiß-Malerei neigen (vor allem bei den negativen Figuren, wie Nazis und Mitläufern).

Doch auch der Serien-Titel “Unter dem Hakenkreuz“ hat seine Berechtigung. Autor und Zeichner verbinden die Liebesgeschichten mit der Zeitgeschichte des Dritten Reiches. Laut des deutschen Herausgebers Schreiber & Leser brauchten Philippe Richelle und Jean-Michel Beuriot über zehn Jahre für ihre Recherchen zu den ersten drei Bänden. Der Nationalsozialismus ist hier kein x-beliebiger Hintergrund einer billigen Effekthascherei. Die Beiden zeigen unaufdringlich, wie die Ereignisse in den Alltag der Protagonisten mehr oder weniger drastisch einfließen und von ihrem Leben zunehmend Besitz ergreifen. Die sensible Erzählweise und der Auftritt differenzierter Figuren vermitteln eine Ahnung, wie ein Leben damals vielleicht verlaufen ist.

Erschreckend an “Ein Sommer in Paris“ ist die Aktualität des Gezeigten. Wenn Menschen durch Arbeitslosigkeit ihre Würde genommen wird, sie verbittern, und schließlich ihre Beziehungen zerbrechen, dann sind das Erfahrungen, die unzählige Arbeitslose seit Jahren wieder und wieder durchmachen müssen. Eine Politik, die mit Steuergeldern den Bankmanagern deren astronomisch-hohen Boni und weiterhin unverantwortliche Spekulationen ermöglicht, anstatt dem Volk zu Lohn und Brot zu verhelfen, hat aus der Geschichte nichts gelernt. Inwieweit sind Menschen bereit ihre Überzeugungen und Werte zu verkaufen, um dem Elend zu entgehen? Die Frage, ob man, angesichts der Existenzbedrohung, für einen Staat zum Spitzel werden soll oder darf, stellte sich nicht nur in den 1930/40er Jahren, sondern wird auch 20 Jahre nach dem Mauerfall noch diskutiert.

Ralf Palandt

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