Wir sitzen in der
Straßenbahn Richtung Baggersee. Meine Freundin zeigt in das aufgeschlagene
Comicbuch und meint: "Das sieht aus, als ob der Typ im Dreck
schwimmt". Der "Dreck" soll Bettzeug sein, doch sie hat Recht:
Der Comic von Jens Harder ist der schwächste Beitrag und das ist schade, denn
das Buch ist wirklich gut.
|
|
|
|
"Längst
werden Künstler dem Comicbereich eingemeindet, die kaum je einen
'richtigen' Comic gezeichnet haben. Der Untertitel von PLAQUE -
'Magazin für Wort und Bild' - windet sich daher möglichst unkategorisch
aus der genreübergreifenden Affäre und trägt damit auch der simplen
Tatsache Rechnung, dass ein gelungenes Werk allemal interessanter
ist als die Frage, ob es nun fest im Genresattel sitzt oder über
ihm schwebt, solange es nur nicht aus der Kurve getragen wird."
Die Fahrtrichtung ist vorgegeben: Grenzüberschreitungen und Kunst.
Ein hoher Anspruch sorgt für große Erwartungen.
PLAQUE besteht aus drei Teilen:
Ausland, Schwerpunkt, Inland. Die Kombination aus Interviews und
Comics der präsentierten Künstler verursacht eine erfrischende Intensität.
Die Bildergeschichten werden "intimer". Doch so aufschlussreich
die Antworten der Befragten sind, mit bis zu 20 Seiten erreichen
sie eine epische Länge. Authentizität versus Funktionalität? Diese
Kritik soll Wichtigkeit und Verdienst jedoch nicht schmälern.
Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist "Italien", "ein
Land, das in regelmäßigen Abständen eine erneuerte und enorm produktive
Comicavantgarde hervorbringt" - gut beschrieben in zwei Artikeln,
bestätigt durch die Interviews und illustriert durch neuere Comic-Beispiele.
Ein Fenster tut sich auf und macht neugierig auf mehr. Mit der Ein-
bzw. Umstellung weiter Teile der Comic-Fachliteratur ist es um die
"Fumetti" still geworden - es wäre schön, wenn der Schwerpunkt
für den/die ein oder andere/n Anlass würde, die reiche Comic-Geschichte
Italiens (wieder-) zu entdecken.
Mitherausgeber Kai Pfeiffer - mit einer Bildergeschichte vertreten
- studiert an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und ist Gründungsmitglied
der international-beachteten Zeichnergruppe "monogatari".
Dies erklärt sicher nicht nur die "genreübergreifende"
Zielsetzung von PLAQUE, sondern auch die Beiträge weiterer Kunsthochschüler
(wie den schon erwähnten Jens Harder).
PLAQUE ist kein in sich geschlossenes Werk - selten nehmen die Interviews
direkten Bezug auf die abgedruckten Comics. Doch sind die Beiträge
wertvolle Ergänzungen zu den angesprochenen Werken - z.B. bei Lorenzo
Mattotti zu "Jekyll & Hyde" (Carlsen), bei Igort zu
"5 ist die perfekte
Zahl" , bei ATAK zu "ATAK vs. Ahne" (avant).
Dank O-Ton erfährt man auch einiges über die Künstler an sich.
Ein Name taucht immer wieder auf: "Strapazin". Nicht nur
die Auswahl, auch die Form erinnert an das deutsch / schweizer Comic-Art-Magazin.
Warum auch Bewährtes ändern? Wenngleich die meisten ZeichnerInnen
keine Neuentdeckungen sind, der Vorteil von PLAQUE ist die geballte
Präsentation im handlichen Buchformat.
Viele Comics oder Fachblätter hat man in einer Stunde durchgelesen
- PLAQUE liest man über Tage hinweg, Kuchenstück für Kuchenstück.
Fazit: Das Buch erfüllt die hohen Erwartungen und ist - trotz "Strapazin"-Anleihen
- eine Bereicherung. Fortsetzung erwünscht!
Ralf Palandt
"Plaque
01" bei AMAZON bestellen, hier anklicken
"Plaque
02" bei AMAZON bestellen, hier anklicken
Bei
ebay Comics kaufen, hier anklicken
|