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Eitel Sonnenschein!

Der 14. Internationale Comic-Salon Erlangen 2010


 

©UFoto

So ganz mag man es nicht glauben, dass auch diesmal wieder mehr als 25.000 Comicfans nach Erlangen kamen. Vor allem am Wochenende war die Heinrich-Lades-Halle weniger bevölkert als an den zwei Tagen zuvor. Doch zusätzlich zur Comic-Messe gab es auch diesmal wieder ein pralles ausgelagertes Programm mit Ausstellungen, die über die ganze Stadt verteilt waren sowie die Comicbörse und Cosplay-Aktivitäten. Außerdem herrschte – nach einem regnerischen Donnerstag - eitel sonnenscheiniges Biergarten-Wetter.

Dass es diesmal für den Comic-Salon alles andere als eine Budget-Aufstockung gab, war eigentlich nur bei den abgespeckten Werbemaßnahmen innerhalb der Stadt zu spüren. Die knapp 30 Ausstellungen hingegen deckten 2010 ein besonders breites Spektrum ab und wurden fast alle sehr schön und anregend präsentiert. Wobei – Oh Wunder! – die ausgestellten Künstler einige Male auch gleich noch einen Max-und-Moritz-Preis gewannen.

Das markanteste Plakat zum Salon zierte ein Motiv von Jens Harder, der in seinem Comic “ALPHA - directions“ auf 336 Seiten die Geschichte der Evolution “vom Urknall bis zu den ersten Hominiden“ erzählt und dabei auch Querverweise zu religiösen oder populärkulturellen Mythen wie “King Kong“ oder “Godzilla“ einbaut. Die Ausstellung im leider etwas streng riechenden Kellergeschoss der Salon-Galerie dokumentierte zugleich auch die Arbeitsweise von Jens Harder, der seine detailreichen Seiten mit jeweils einer einzigen Schmuckfarbe versah. Der voluminöse Band “ALPHA - directions“ ist der Auftakt einer Trilogie. Harder – der durch seine Beschäftigung mit der Evolution nur noch bedingt an Lebensplanung glaubt - arbeitet gerade am zweiten Teil “Beta“.

In der selben Location fand auch eine äußerst witzige Ausstellung des Wieners Nicolas Mahler ("Flaschko") statt, der hier unter anderen seine rosarote Superhelden-Figur "Engelmann" (besondere Eigenschaften: tolerant, ambivalent und kann gut zuhören) inklusive der zugehörigen Merchandise-Artikel präsentierte und zugleich auch noch “sämtliche Rechte“ zum Kaufe anbot.

Nicht minder skurril war die Ausstellung “Und das Wort ist Bild geworden – Über die Comics und das Religiöse“ die in der (evangelischen) Neustädter Universitätskirche stattfand. Hier wurden keine religiösen Erbauungscomics ausgestellt, sondern das krasse Gegenteil. Zu sehen gab es Seiten aus Ralf Königs “Prototyp“, Robert Crumbs “Genesis“ und sogar jener Moment aus Garth Ennis´ “Preacher“ in dem ein Revolvermann verhindert, dass der Heiland noch mal auf die Erde kommt. All dies – sowie eine Tabelle, die erläutert welche Comicfigur zu welcher Religionsgemeinschaft gehört – wurde zwar nicht im Original, aber dafür untermalt von Orgelmusik und auf Kirchenbänken zur Schau gestellt.

Auch ansonsten wurde ausstellungstechnisch allerlei geboten. Herausragend war die umfangreiche “Mecki“-Präsentation, die zahllose wunderschöne Originale aus der 60jährigen Geschichte des “HÖRZU“-Maskottchens zur Schau stellte. Die Ausstellung zum 60. Geburtstag der “Peanuts“ hingegen enttäuschte, da sie ganz ohne Originale auskam. Wer quer durch fast die ganze Stadt laufen mochte, wurde im Stadtmuseum mit der anregend präsentierten Ausstellung “Grenzgebiete – drüben! Kindheitserinnerungen zwischen Ost und West“ belohnt.

Die Münchner Comicszene war auch wieder in Erlangen vertreten, u. a. mit der traditionellen “Comicaze“-Ausstellung im Café Moravia sowie mit einem Infostand zum Comicfestival München, das 2011 zum “Erlangen-Termin“ (Fronleichnam) stattfindet.

Auch diesmal gab es wieder (gratis!) ein Panini-Sticker-Album, das mit über 200 Sammelbildern zu füllen war, die es kreuz und quer auf dem Salon zu finden galt. An ausgewählten Stellen quer durch Halle und Stadt lagen (ebenfalls gratis!) die Klebebildchen aus, so lange der Vorrat reichte und genau hierin bestand auch das Problem. Wer mochte, konnte sich als Verlag oder Künstler ein Album-Bildchen als Werbemittel kaufen und musste dann die Verteilung organisieren. Dies geschah manchmal etwas lustlos und so kam es vor, dass viele Bilder bereits am Samstag gar nicht mehr erhältlich waren. Dies lag sicher auch daran, dass manche Händler oder Verlage etwas genervt waren, von reinen Jägern und Sammlern. Diese rannten oft tunnelblickartig herum und waren nur an den Klebebildern aber nicht an den zugehörigen Comics interessiert.

Hinzu kam ein etwas chaotischer seltsam durchnummerierter Aufbau des Albums, der z. B. keinen Platz für das Bild 128 vorsah, doch dafür musste Bild 141 auch noch ein zweites Mal als 157 eingeklebt werden. Auf alle Fälle brachte das Sticker-Album etliche Salon-Besucher dazu auch abgelegene Veranstaltungsorte aufzusuchen und mancher von denen hat sich vielleicht sogar die zu den Stickern gehörenden Ausstellungen angeguckt…

Auch die Max-und-Moritz-Preisträger galt es ins Album zu kleben, allerdings erst nachdem diese ihre Brote und Medaillen erhalten hatten. Als eine Wohltat erwies sich wider Erwarten die Tatsache, dass Hella von Sinnen als Co-Moderatorin agierte. Im weißen Joker-Overall wirbelte die Dame über die Bühnen und trieb den Bürgermeister, die Laudatoren und vor allem ihren zu Bandwurmsätzen neigenden “Assistenten“ Dennis Scheck dazu an nicht allzu lange zu schwafeln, denn das Publikum wollte ja schließlich “Bier und Bratwurst“.

Auch die Auswahl der Jury ging insgesamt in Ordnung. Etwas seltsam war der Spezialpreis "Francomics" bei dem deutsche Schüler mit "Dipoula" von Sti und Pahé den besten französischen Comic auswählten. Ob es sich bei "Prototyp und Archetyp" von Ralf König tatsächlich um “Comic-Strips“ handelt (die Geschichten erschienen zwar zunächst in der FAZ doch danach in Albumform) mag umstritten sein, stellt die Qualität der Werke aber nicht in Frage. Das der Comicszene nicht weiter aufgefallene Buch "Such dir was aus, aber beeil dich" (S. Fischer Verlag) von Nadia Budde erhielt den Preis als bester Comic für Kinder. Winshluss´ visuell höchst aufregende aber teilweise auch ganz schön derbe Version von “Pinocchio“ erhielt bereits 2009 auf dem 36. "Festival International de la Bande Dessinée“ in Angoulême den Preis für das beste Album. Diesem Votum schloss sich 1 ½ Jahre später die Jury des Comic-Salons an und wählte den Prachtband zum besten internationalen Comic. “ALPHA - directions“ von Jens Harder wurde zum besten deutschsprachigen Comic gekürt. Ein gemeinsamer Spezialpreis der Jury ging an die Verlage Salleck und Carlsen für ihre Editionen der Werke Will Eisners. Nicolas Mahler wurde in einer öffentlichen Abstimmung der Jury zum besten deutschsprachigen Comic-Künstler gewählt, während Pierre Christin (“Valerian und Veronique“) persönlich und mit Standing Ovation einen Preis für sein Schaffen als Szenarist entgegennahm.

Auch der etwas seltsam konzipierte und in diversen Foren aufgeregt diskutierte Publikumspreis – bei denen die Fans nur aus jenen zwanzig Comics auswählen durften, die zuvor von der Jury vorgeschlagen wurden - ging nach vorne los. . Uli Lust erhielt verdientermaßen für “Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“ sowohl den ICOM-Independent- als auch den Max-und-Moritz-Preis.

Die ICOM-Independent-Preisträger sind hier zu erfahren 

Die Max-und-Moritz-Preis-Preisträger sind hier zu erfahren 

Ein Teil der Besucher interessierte sich weniger für Ausstellungen oder Preisverleihungen. Diese Comicfans standen oft stundenlang für eine Zeichnung ihres Lieblingskünstlers an. Hier gab es im Vorfelde des Salons etwas böses Blut, da manche Verlage das Würfelglück darüber entscheiden lassen wollten, ob ein Fan eine Zeichnung bekommen wird oder nicht. Doch bei Olivier Schwarz (“Spirou – Operation Fledermaus“) z. B. gab es nicht nur für jene, die eine 5 oder 6 würfelten einen schöne Sketch. Den “Pechvögeln“ zeichnete der Künstler einen kleinen weinenden Spirou mit tröstender Widmung ins Album. Sehr eifrig und oft auch noch singend war Howard Chaykin am Werke. Er lehnte es ab Figuren aus Star Wars zu zeichnen, lieferte aber kantige Batmans oder den Punishers.

Als am Sonntag die ganze Veranstaltung langsam aber sicher zu Ende ging, hatten die meisten Besucher noch längst nicht jede Ausstellung besucht und jedes Bildchen eingeklebt, doch die meisten waren dennoch höchst zufrieden.

Es waren wieder vier tolle Tage, die von Bodo Birk und seinem hoch motivierten Team bestens organisiert wurden. Für die deutsche Comicszene ist der Comic Salon in Erlangen ein Fest ohnegleichen und unverzichtbar!

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