London, gegen Ende des 18. Jahrhunderts: die Umstände, unter
denen die erwachsenen Geschwister Mary und Charles Lamb bei ihren
Eltern leben, sind recht trist. So verwundert es nicht, dass sie
Eskapismus in der wunderbaren Welt der Dichtung suchen, vor allem
in den Werken des unsterblichen William Shakespeare.
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Der blutjunge William Ireland arbeitet im Antiquariat seines Vaters,
die doch eher trockene Tätigkeit ist für ihn wie geschaffen,
denn er verehrt die großen englischen Dichter ebenso fanatisch
wie die Lambs. Die kleine Buchhandlung in einer dunklen Gasse
kennt kaum jemand, das ändert sich aber schlagartig, als
William durch seltsame Umstände in den Besitz von unbekannten
Texten Shakespeares kommt, darunter ein komplettes Stück
um den keltischen Feldherrn Vortigern, das von der Sprachgewalt
her an Meisterwerke wie Macbeth gemahnt. Nicht nur die Lambs sind
hingerissen, die Literaturszene Londons ist aus dem Häuschen.
“Vortigern und Rowena“ wird an einem renommierten Theater uraufgeführt,
doch dann tauchen erste Zweifel auf...
Mary (1764-1847) und Charles Lamb (1775-1834) sind auch heute noch
vor allem im angelsächsischen Raum als Autoren bekannt. Die tragische
Geschichte ihrer Familie (Mary tötete 1796 in geistiger Umnachtung
ihre Mutter) nimmt Peter Ackroyd als Grundlage seines –fiktiven-
Romans, doch auch die Geschichte des unglückseligen William Ireland
basiert auf wahren Begebenheiten. Ackroyd verknüpft hier die Schicksale
dreier unterschiedlicher und sich doch so ähnlicher Charaktere
zu einem stimmigen Gesamtbild aus Fakten und Fiktion. Kenner der
wahren Geschichten um die Protagonisten werden über den Ausgang
des Romans naturgemäß nicht allzu überrascht sein.
Fazit: Spannender Plot und historische Hintergründe hätten
den Stoff für einen wirklich großartigen Roman geboten,
die Chance wurde aber leider nicht wirklich genutzt. Peter Ackroyd
verliert sich mit seinen ausschweifenden Dialogen in gepflegter
vorviktorianischer Langeweile, das menschliche Drama um die innerlich
zerrissenen Hauptcharaktere Mary und William berührt letztlich
nicht wirklich. So bleibt zu guter Letzt ein leidlich spannender
Krimi vor der malerischen Londoner Kulisse des ausgehenden 18.
Jahrhunderts.
Stefan
Meduna
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