Pu Yi, der letzte Kaiser von China, ist besessen von einer in einer unbekannten, längst untergegangenen alten Sprache verfassten Rolle mit Sutren. Im Zuge eines Tobsuchtsanfalls zerfetzt er die Reliquie mit den Zähnen und wirft sie aus dem Flugzeug. Das könnte natürlich das Ende der Geschichte um die geheimnisvolle Schriftrolle sein, doch das Schicksal will es anders.
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Ein
Teil der Sutrenrolle wird von einem Mann gefunden. So gelangt das
beschriebene Stück Stoff viele Jahre später in die Hände von dessen
Urenkel Tumschuk, einem chinesischen Gemüsehändler. Gemeinsam mit
seiner französischen Geliebten (der -namenlosen- Ich-Erzählerin
des Romans) macht er sich daran, das Geheimnis zu lösen. Keiner
von ihnen kann ahnen, dass dieses Vorhaben ihr Leben über viele
Jahre beherrschen und am Ende vielleicht auch zerstören wird.
Dai Sijies hinreißender Debütroman "Balzac und die kleine
chinesische Schneiderin" (2001) war ein sensationeller
Erfolg sowohl bei den Kritikern als auch beim Publikum, bei der
Verfilmung 2002 führte der Autor selbst Regie. Wie schon in seinem
Erstling verarbeitet Sijie auch in "Wie ein Wanderer in
einer mondlosen Nacht" die Erfahrungen aus seiner eigenen
Jugend in China, wie seine 1971 zum Zweck der Umerziehung erfolgte
Zwangsverschickung in ein Bergdorf. Das gleiche Schicksal widerfährt
auch Tumschuk und Ma, den männlichen Protagonisten des Romans.
Fazit:
Selten zuvor fiel mir eine einigermaßen schlüssige Bewertung so
schwer wie bei diesem Roman, denn Sijies neuestes Werk fällt aus
jedem Rahmen. Über weite Strecken recht wirr und langatmig erzählt,
kann man die Lektüre mit Fug und Recht als anstrengend bezeichnen.
Besonders der Abschnitt über die Afrikareise der Erzählerin wirkt
völlig deplatziert und ohne wirklichen Bezug zur eigentlichen Haupthandlung.
Auf wundersame Weise löst sich der Knoten mit der Zeit jedoch und
der Leser wird –ebenso wie die Ich-Erzählerin- mit zunehmender Faszination
in eine ihm völlig fremde Welt versetzt, die trotzdem irgendwie
vertraut wirkt, denn bei allen kulturellen Unterschieden sind die
menschlichen Gefühle und Leidenschaften doch überall auf der Welt
dieselben. Einmal mehr gelingt es Dai Sijie, seine Leser zu überraschen
und legt mit "Wie ein Wanderer in einer mondlosen Nacht"
ein zwar schwieriges, aber immer interessantes Stück moderner Literatur
vor.
Stefan
Meduna
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