Peking, 1989: Es gibt die regimetreuen Studenten, es gibt die systemkritischen,
revolutionären Studenten, und dann gibt es noch solche wie Dawei:
bis auf seine geliebten Comics und das von ihm herausgegebene
Comiczine Kids of Mao & Coke ist ihm alles relativ scheißegal.
Doch selbst die innere Emigration in Fantasiefluchtwelten ist
im China der 80er alles andere als leicht. Die Werke der staatlich
geförderten, linientreuen Zeichner bringen’s nicht wirklich, und
an ausländischem Material gibt es nicht viel mehr als Raubkopien
von Garfield und
Dragon Ball.
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Doch Dawei findet immer wieder Mittel und Wege, an verbotene Comic-Schätze
zu kommen. Als er sich in die Studentenführerin “Kleine Kim“ verliebt,
hält doch noch die Politik Einzug in sein Leben… irgendwie. Die
schon seit Monaten andauernden Demonstrationen meist junger Menschen
auf dem Platz des Himmlischen Friedens haben sich zu einem regelmäßigen
Freihafen der Jugendkultur gemausert. Diese kleine Freiheit soll
sich schon bald als bittere Illusion erweisen: das Massaker vom
4.Juni macht dem demokratischen Spuk ein rasches Ende. Dawei selbst
kann dem Tod nur knapp entkommen, seine Kim aber bleibt spurlos
verschwunden. Ist auch sie wie so viele andere unter den Kugeln
der Armee gefallen, oder ist ihr die Flucht ins Ausland gelungen?
Was Dawei aber findet, ist ein verstörtes Kätzchen, das er mit nach Hause nimmt und “Haohao“ tauft. Kater Haohao wird Dawei ein treuer Freund, trotzdem ist sein Erstaunen groß als er merkt, dass Haohao nicht nur sprechen kann, sondern voller verrückter Ideen steckt. So setzt er sich eines Tages in den Kopf, ein Cartoonstar wie Garfield zu werden, und das natürlich in Hollywood, denn in China sind die Karrierechancen für Tiere doch arg begrenzt. Haohao macht ernst: mit einer Bekannten bricht er in die USA auf, um sein Glück zu suchen. Dawei bleibt traurig zurück, erst Jahre später –als Haohao unter dem Künstlernamen “Tony Cat“ längst ein Star ist- bricht auch er ins Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten auf, in der vagen Hoffnung endlich eine Spur von „Kleiner Kim“ zu finden. Doch ab jetzt wird es erst wirklich verrückt...
Fazit: Ich muss gestehen, seit langer Zeit hat mich kein Buch derart fasziniert wie Li Daweis herrlicher Debütroman. Rhetorisch begabte Kater kennt man sonst eher aus der japanischen Literatur, die skurrile Mischung aus realistischer Zeit- und Comicgeschichte und absurder Fantasy überzeugt allerdings zu jeder Zeit. Damit nicht genug, wird die Handlung auch noch immer wieder mit eingeschobenen Comic-Segmenten aufgelockert. Dieser hinreißende Schelmenroman ist nichts weniger als ein in wirklich jeder Hinsicht herausragendes Meisterwerk zeitgenössischer Literatur.
Stefan
Meduna
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